Radioactive (Die Vergessenen) (German Edition)
mich doch zurück in die Legion geschickt. Es war euer Plan, mich zur Legionsführerin zu machen, nicht meiner. Wenn es nach mir gegangen wäre, hätte ich die Rebellen nie verlassen.“
Gustav nimmt meine Worte ohne jede Gefühlsregung auf. Er bleibt so verbittert, wie ich ihn bereits angetroffen habe. „Ich habe mich in der Legion getäuscht. Sie sind schon lange nicht mehr das, was sie einmal waren. Das haben sie mir auf die härteste Weise bewiesen. Es gibt keine Hoffnung mehr. Jetzt heißt es nur noch sie oder wir.“
Ausgerechnet Gustav muss so etwas sagen. Er war immer derjenige der Rebellen, der die Legion verteidigt und zeitweise sogar mit ihr zusammengearbeitet hat. Gustav ist ein Gründer des Experiments. Er war bereits Legionsführer, bevor ich überhaupt auf der Welt war.
Ich kann seine Aussage unmöglich einfach so stehen lassen. „Das stimmt nicht. Es gibt immer Hoffnung. Die Bewohner der Sicherheitszone verändern sich bereits. Ich konnte eine gemeinsame Nahrungsvergabe einführen und bei den Paarungskämpfen haben sie sogar applaudiert. Ich habe die Menschen nie lebendiger erlebt.“
Gustav schüttelt entschieden den Kopf. „Das ist nichts. Das ist gar nichts!“ Er beginnt aufgebracht zu schreien: „Sie haben mir Marie genommen und du hast es nicht einmal verhindert.“
Ist das sein Ernst? Gibt er mir wirklich die Schuld an ihrem Tod?
„ Ich habe versucht, euch zu warnen. Was hätte ich sonst tun sollen?“
Gustav ballt seine rechte Hand zu einer Faust und donnert sie in die Handfläche der linken. „Du solltest die verdammte Strommauer abschalten und nicht eine gemeinsame Essensvergabe für Roboter einführen.“
Ich bin sprachlos. So hat der Plan nie ausgesehen. Jedenfalls nicht für mich.
Plötzlich reißt mich jedoch eine allzu vertraute Stimme aus meinen Gedanken.
„ Cleo!“
Suchend blicke ich mich um. Sobald ich ihren kleinen Körper entdecke, schießen mir auch schon die Tränen in die Augen. Sie wirft sich in meine Arme und ich verberge mein tränenfeuchtes Gesicht in ihrer Halsbeuge. Iris. Ich atme tief ihren kindlichen Duft nach Zucker und Sonne ein, gemischt mit einer Spur Tannennadeln. Meine Finger gleiten durch ihr mittlerweile kinnlanges, blondes Haar. Es ist weicher als alles, was ich kenne. Erst jetzt, wo ich sie so feste an mich presse, dass sie kaum noch Luft bekommt, merke ich, wie sehr sie mir gefehlt hat. Es ist, als würde eine unsagbare Last von meinem Herzen fallen. Sie ist am Leben und es geht ihr gut.
An unseren Beinen springt mit lautem Bellen ihr kleiner Wüstenfuchs Dumbo empor, während aus dem Unterholz Paul hervortritt.
„ Als sie dich gehört hat, war sie nicht mehr zu halten. Ich dachte erst, sie fantasiert...“, erklärt Paul entschuldigend und zuckt mit einem scheuen Lächeln auf den Lippen die Schultern. Er war mein erster Freund unter den Rebellen. Ich erinnere mich noch gut daran, wie tröstlich seine grünen Augen in der Gefangenschaft auf mich gewirkt haben.
Ich löse mich von Iris und lasse mich von Paul in die Arme schließen. Er ist so groß und breit, dass ich das Gefühle habe, in seinen Armen zu versinken. Seine sonnengewärmte Haut presst sich gegen meinen kalten Anzug und ich schließe erleichtert die Augen.
„ Soll ich jetzt etwa eifersüchtig werden?“, höre ich plötzlich ein unverkennbares Flöten und reiße vor Freude die Augen auf. Florance. Wir stürzen einander in die Arme, als wären wir Jahre voneinander getrennt gewesen. Ich kenne niemanden, der herzlicher und hübscher als Florance ist. Sie ist ein wahrer Engel auf Erden. Ihre blonden Locken kitzeln meine Wangen und ich fange vor Freude an zu lachen. Danach kommen auch Pep, Grace und Emily an die Reihe. Die Begrüßung ist genauso warm und liebevoll, wie ich es mir immer erträumt habe, und lässt mich Gustavs abweisende Art beinahe vergessen.
Schnell drehe ich mich zu Asha um und nehme sie bei der Hand.
„ Ich möchte euch jemanden vorstellen. Das ist meine Freundin Asha.“
Sie lächelt den Rebellen schüchtern entgegen und es dauert nicht einmal eine Sekunde, da presst Florance Asha auch schon an ihre Brust. „Herzlich willkommen. Freunde von Cleo sind auch unsere Freunde.“
Gemeinsam stärken wir uns mit Tee und Brot. Es sind die letzten Reste der Rebellen. Bald werden sie gezwungen sein, Feuer zu entzünden und Tiere zu jagen. Bisher haben sie das tunlichst vermieden, um die Legion nicht auf sich aufmerksam zu machen. Sie haben sogar jeden
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