Radioactive (Die Vergessenen) (German Edition)
die eilige Flucht erinnern. Die Gräser sind niedergetrampelt und das Moos ist aufgewühlt worden. Wir folgen den Spuren, bis sie immer undeutlicher werden und wir sie schließlich ganz verlieren. Während meine Sorge mit jedem Schritt größer wird, scheint Asha immer mehr zu entspannen. Ihr Blick wandert von einem Baum zum anderen, staunend in den Himmel und mit einem Lächeln zurück zu dem weichen Boden. Ihre Finger berühren die Rinde der Bäume und streifen die grünen Blätter. Sie ist wie verzaubert von dem Anblick der Natur. Ich weiß noch, wie es für mich war, als ich das erste Mal die Sterne sah. Aber ich habe keine Zeit, um Ashas Freude zu teilen. Ich habe das Gefühl, das tödliche Messer schon im Rücken zu spüren. Die Legion wird nach uns suchen. Asha ist eine Mörderin und ich bin eine Verräterin, weil ich ihr geholfen habe zu fliehen. Ich habe Zoe und Finn im Stich gelassen und A350 enttäuscht. Sie hat so fest an mich geglaubt und ich habe ihr den Rücken zugewandt, als ich Asha die Tür zum Aufzug geöffnet habe. Ich hätte sie alleine gehen lassen sollen, aber ohne mich hätte sie nie die Rebellen gefunden. Ohne mich hätte die Legion sie gefangen und getötet, ohne dass ich es je erfahren hätte. Als ich ihr half, habe ich nicht eine Sekunde über die Konsequenzen nachgedacht, sondern nur daran, ihr Leben zu retten. Ob ich es bereue? Ich weiß es nicht.
Wir laufen immer weiter durch das Dickicht, bis es anfängt zu dämmern, ohne dass wir fündig wurden. Wir haben weder eine Taschenlampe, noch weiß eine von uns, wie man Feuer macht. Zudem wäre das Feuer wie eine Signalfackel für die Sucher der Legion.
Unter den Zweigen einer großen Tanne suchen wir Schutz vor der aufkommenden Kälte. Wir kauern uns dicht aneinander, um uns gegenseitig zu wärmen. Wir sprechen nicht ein Wort miteinander. Aber während ich das Zittern ihres Körpers neben mir spüre und ihr Atem kleine Wölkchen in den Nachthimmel bläst, kann ich nicht länger wütend über ihr unüberlegtes Handeln sein. Ich hätte es mir nie verziehen, wenn ich ihr nicht geholfen hätte. Asha muss leben. Sie hat es mehr verdient als jeder andere.
Am nächsten Morgen irren wir weiter durch den Wald. Jeder Baum sieht gleich aus und ich befürchte, dass wir uns im Kreis drehen. Ich weiß nicht, wie groß der Wald ist. Schon bei meiner Flucht aus den Höhlen erschien er mir endlos. Dafür, dass er erst vor wenigen Jahrzehnten angelegt wurde, haben die Bäume bereits eine beträchtliche Größe erreicht.
Es scheint mir hoffnungslos, durch die Gegend zu irren, ohne auch nur das geringste Lebenszeichen von den Rebellen zu finden. Vielleicht sind sie längst weitergezogen zu einer anderen Legion. Vielleicht in den Süden zu Sharon oder in den Norden zu Raymond.
Die Sonne steht bereits an ihrem höchsten Punkt und brennt unnachgiebig durch die Zweige der Bäume auf unsere kahlen Köpfe. Mein Mund fühlt sich so trocken an, dass selbst das Schlucken schmerzt. Ich achte kaum noch auf den Weg vor mir, sondern laufe einfach immer weiter, in der Hoffnung auf eine Veränderung. Asha folgt mir kommentarlos. Sie würde mich überallhin begleiten, solange es nicht zurück in die Legion ist.
Erschöpft bleibe ich stehen und lasse meinen Oberkörper nach vorne sinken, um wieder zu Atem zu kommen. Soll das etwa unser Ende sein?
Ein Rascheln lässt mich aufhorchen, doch ehe ich mich umdrehen kann, spüre ich einen spitzen Gegenstand in meinem Rücken.
„ Hände hoch oder ich steche dich ab.“
Gehorsam hebe ich meine Arme und lasse mir von der fremden Hand meinen Laser abnehmen.
„ Jetzt langsam umdrehen...“
Vorsichtig drehe ich mich um meine eigene Achse und würde am liebsten vor Freude weinen, als ich vor uns Rebellen stehen sehe. Sie sind zu viert und die Frau direkt vor mir erkenne ich als Sharon. Ihr raue Stimme kam mir gleich bekannt vor. Doch sie scheint sich nicht an mich zu erinnern, denn ihre Haltung bleibt misstrauisch und abweisend.
„ Was wollt ihr hier?“
„ Wir sind aus der westlichen Legion geflohen“, erkläre ich ihr und suche Sharons Blick. „Ich bin Cleo. Erkennst du mich nicht?“
Misstrauisch kneift sie die Augen zusammen. Ich kann förmlich erkennen, wie die Erinnerung an mich in ihrem Gedächtnis aufsteigt, doch das ändert nichts an ihrer Haltung uns gegenüber.
„ Jetzt schon. Aber ich habe dir noch nie vertraut“, erwidert sie kalt. Ihr Blick scheint sogar noch etwas feindlicher geworden zu sein.
„
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