Radioactive (Die Vergessenen) (German Edition)
schon nicht mehr. Es scheint ihm alles egal zu sein, aber gleichzeitig hat er einen friedlichen Ausdruck im Gesicht. Ich weiß, dass ich ihn nicht umstimmen kann.
„ Lebe wohl“, flüstere ich leise gegen die Glaswand und wende Gustav den Rücken zu. Er bleibt zurück wie der Kapitän auf seinem sinkenden Schiff.
Als wir den Aufzug erreichen, sehen wir durch die Glasscheibe, dass außerhalb der Legionsführerkugel bereits der Kampf zwischen den Rebellen und den Kämpfern der Legion tobt. In dem Moment öffnen sich die Aufzugtüren und Asha und Iris stolpern uns entgegen. Ich war nie glücklicher darüber, sie zu sehen und in Sicherheit zu wissen.
„ Wir konnten den Aufzug einfach so benutzen“, stößt Asha immer noch ganz fassungslos hervor. Dafür muss Gustav ebenfalls verantwortlich sein. So lässt er den Bewohnern der Sicherheitszone wenigstens eine Fluchtmöglichkeit offen.
Wir fahren zusammen in die Sicherheitszone. Dort herrscht der völlige Kontrast zu den Kampfszenen an der Oberfläche: Absolute Ruhe. Niemand hat etwas von dem Tumult über ihren Köpfen mitbekommen.
„ Was ist eigentlich passiert, nachdem Asha und ich während der Paarungskämpfe geflohen sind?“ Ich versuche es gar nicht erst zu umschreiben. A350 kennt ohnehin die Wahrheit.
„ Die Kämpfe wurden abgebrochen.“
Ich frage sie absichtlich nicht nach A566. Er ist mir gleichgültig.
„ Am besten teilen wir uns auf. Asha und Iris evakuieren die Krankenstation und A350 und ich übernehmen die restliche Sicherheitszone. Wir treffen uns dann an der Oberfläche.“
Zustimmend nicken mir die anderen drei zu, und während Asha und Iris durch die Türen der Krankenstation treten, laufen A350 und ich in Richtung des braunen Flurs, der Unterkunft der D-ler. Ich hoffe, dort Finn zu finden.
Als könne A350 meine Gedanken lesen, hält sie mich erneut fest und zwingt mich so, stehen zu bleiben. „Du willst zu IHM, oder?“, wirft sie mir anklagend vor.
„ Ja, er muss genau wie alle anderen gewarnt werden“, entgegne ich ihr. Es ist nicht nötig, ihn beim Namen zu nennen. Wir wissen beide, von wem die Rede ist.
„ Ich will mit ihm sprechen“, antwortet A350 jedoch überraschenderweise. Sofort überkommt mich Panik.
„ Warum?“
„ Weil ich ihm etwas sagen muss, dass nur ihn und mich etwas angeht.“
Alleine durch diese Aussage erweckt sie sofort mein Misstrauen. „Was musst du ihm sagen, das ich nicht hören darf?“
A350 blickt mich eindringlich an. „Vertraust du mir?“
Ich höre in mich. Auf ihre Frage gibt es nur eine Antwort und ich nicke.
Als sich die Türen zu Finns Zimmer öffnen, springt er von seinem Bett auf, und als er mich erblickt, stürzen wir aufeinander zu und fallen uns in die Arme. Wie von selbst finden unsere Lippen zueinander und verschmelzen in einem verzweifelten Kuss. „Ich habe mir Sorgen um dich gemacht“, haucht er mir entgegen und fährt mit der Hand über meinen kahlen Kopf.
A350 räuspert sich pikiert. Erschrocken fahren wir zusammen. Ich hatte sie tatsächlich vergessen. Kaum, dass ich in Finns Nähe bin, scheint die Welt stehen zu bleiben und es gibt nur noch ihn und mich.
„ Ich möchte mit dir sprechen. Alleine“, befielt A350 in einem Ton, der keine Widerrede zulässt. Skeptisch blickt ihr Finn entgegen, aber tritt mit ihr zur Seite. A350 beginnt sofort auf ihn einzureden, jedoch so leise, dass ich kein Wort verstehen kann, egal wie sehr ich mich auch bemühe. Finn wirkt A350 gegenüber erst abweisend, aber scheint dann einzulenken und ihr am Ende sogar zuzustimmen. Sie wirkt darüber zwar nicht glücklich, aber zufrieden. Die beiden kommen zurück zu mir. Es gefällt mir gar nicht, dass sie Dinge ohne mich besprechen, und ich kann mir beim besten Willen nicht vorstellen, worum es in dem Gespräch gegangen sein soll.
„ Verabschiede dich von der Sicherheitszone. Sie war dein Zuhause und du wirst sie nie wiedersehen. Ich kümmere mich um die anderen“, schlägt A350 mir vor. Ich bin ihr dankbar, obwohl ich nicht vorhabe, mich von der Sicherheitszone zu verabschieden, sondern die Zeit lieber mit Finn nutzen möchte. Es ist nicht viel, aber es ist unsere Zeit, die wir mit niemandem teilen müssen.
Finn greift nach meiner gesunden Hand und wir rennen los. Neben dem Atrium gibt es nur einen schönen Ort in der Sicherheitszone, der es verdient hat, dass ich mich von ihm verabschiede.
Wir biegen in den grünen Flur der B-ler ab. Am Ende des Gangs thront eine große Flügeltür
Weitere Kostenlose Bücher