Radioactive (Die Vergessenen) (German Edition)
mit Milchglasscheiben. Ohne zu zögern, stoße ich die Türen auf und trete gemeinsam mit Finn in das Innere. Hinter den Glasscheiben verbirgt sich eine Art unterirdisches Gewächshaus. Hier züchten die Forscher Pflanzen. Solange man nicht zur Decke emporblickt, hat man das Gefühl, sich im Freien und nicht unter der Erde zu befinden. An Finns Gesicht kann ich ablesen, dass sogar ihm der Anblick gefällt. Vor uns erstreckt sich ein großes Feld, auf dem Möhren gezüchtet werden.
Hand in Hand laufen wir durch die grünen Blätter der Pflanzen, die sanft unsere Beine streicheln.
„ Wie lange erinnerst du dich schon wieder?“ Ich weiß, dass er es tut, aber ich bin mir nicht sicher seit wann. Was war echt und was war gespielt?
„ Wahrscheinlich länger, als du denkst“, erwidert Finn mit einem Schmunzeln auf den Lippen. Doch ich lasse nicht locker. Es ist wichtig für mich.
„ Wie lange?“
„ Seit der Nacht, in der du geweint hast“, gesteht er mir mit einem entschuldigenden Blick. Überrascht starre ich ihn an. Damit hatte ich nicht gerechnet. In dieser Nacht war er zwar anders, aber trotz allem noch sehr abweisend. Und bei dem Training in der Arena habe ich ihm wirklich geglaubt, dass ihm die Legion so gut gefallen würde, dass er sich nicht vorstellen könnte, sie zu verlassen. Er hatte mich verstanden und ich habe mich ihm nah gefühlt. War alles, was er in dem Moment zu mir gesagt hat, nur gelogen? Erfunden, um mich und die anderen weiter zu täuschen?
„ Aber du warst so verständnisvoll. Hast du nichts von dem, was du über die Legion gesagt hast, ernst gemeint?“
Beleidigt schiebt er seine Unterlippe vor. „Schön zu hören, dass du mich bisher für einen gefühllosen Grobian gehalten hast.“
Ich will mich nicht direkt wieder mit ihm streiten und versuche es ihm deshalb zu erklären: „So meine ich das nicht. Ich meinte nur, dass du die Legion immer so sehr gehasst hast, und in diesem Moment wirkte das anders. Hast du mir nur etwas vorgemacht?“
Ich habe Angst vor seine Antwort und kann ein Zittern in meinen Händen nur schwer unterdrücken, trotzdem scheint er es zu spüren. Denn er wendet sich verständnisvoll zu mir und blickt mir mit einem Lächeln in die Augen. „Ich bin froh, dass ich hier war. Es war die richtige Entscheidung. Anders hätte ich dich nie so sehen können, wie du wirklich bist.“
„ Und wie bin ich?“ Hat er herausgefunden, dass wir nicht zueinander passen? Ist es das, was er mir sagen will?
„ Du bist mutig, stark, liebevoll, gütig und wunderschön.“
Sofort erröte ich und senke verlegen den Blick. Mich hat nie zuvor jemand als wunderschön bezeichnet. Florance mit ihrem langen, blonden Haar ist schön, aber doch nicht ich mit der Glatze und der bleichen Haut.
Er zwingt mich, ihm erneut in die Augen zu blicken.
„ Deine Schönheit kommt von innen. Sie ist wie ein leuchtender Stern, der sich hinter Wolken am Himmel verbirgt. Strahlend und rein.“
In seinen Augen kann ich die Liebe sehen, die er für mich empfindet. Er meint ernst, was er sagt. Das spüre ich. Wir küssen uns erneut.
Obwohl um uns herum das absolute Chaos herrscht, habe ich in dem Möhrenfeld mit Finn meinen inneren Frieden gefunden. Es gibt nichts, das noch zwischen uns steht. Wir wissen alles voneinander. Auch wenn wir nicht immer einer Meinung sind, so schätzen wir den anderen für seine Stärken und verzeihen ihm seine Schwächen.
Ich habe mich so nach ihm gesehnt und hatte gleichzeitig Angst vor der Wahrheit. Der Kuss wird immer leidenschaftlicher. Zu viele Wochen liegen hinter uns, in denen jede Berührung verboten war. Wir haben viel nachzuholen. Ob wir je die Zeit dafür haben werden?
Am liebsten würde ich ihn nie wieder loslassen und mit ihm eins werden. Ich möchte ihm näher sein als je zuvor einem Menschen. Jede seiner Bewegungen spüren und in sein Herz blicken können.
Doch plötzlich löst sich Finn atemlos von mir. Zum ersten Mal ist sein Gesicht gerötet. „Das ist nicht der richtige Zeitpunkt und nicht der richtige Ort“, stößt er hervor. Als ich verstehe, wovon er spricht, schießt mir ebenfalls die Röte ins Gesicht. Daran hatte ich nicht gedacht, aber seltsamerweise erfüllt mich der Gedanke, mit ihm zu schlafen, nicht länger mit Furcht. Es erscheint mir eher wie die richtige Abfolge der Dinge.
„ Und was, wenn es nie einen richtigen Zeitpunkt geben wird?“, frage ich ihn herausfordernd und deute auf das Feld um uns herum. „Dieser Ort ist genauso
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