Radioactive (Die Vergessenen) (German Edition)

zu ihr zu lassen. Ich will sie noch einmal sehen, bevor ich vielleicht selbst Mutter werde.“
    Ich bin überrascht, dass A350 sie überhaupt hat ausreden lassen. Doch noch mehr überrascht mich dabei ihr sich verändernder Gesichtsausdruck. Während sie am Anfang von Zoes Rede noch genervt und kritisch wirkte, wurde ihr Blick bei jedem Wort sanfter, bis sie zum Ende hin fast mitfühlend dreinblickte. Auch jetzt nickt sie Zoe verständnisvoll zu.
    „ Ob du es mir glaubst oder nicht, aber deine Mutter und ich sind uns nicht so unähnlich, wie du vielleicht annehmen magst. Ich kann sie sehr gut verstehen, und deshalb werde ich deinem Wunsch nicht im Wege stehen. Ich bringe dich sogar höchstpersönlich zu ihr.“
    Zoe reißt genauso überrascht wie ich die Augen auf. Mit einer so entgegenkommenden Antwort hatte sie auch nicht gerechnet.
    „ Wirklich?“, stößt sie ungläubig hervor.
    „ Solange das unter uns bleibt“, erwidert A350 schlicht.
    Zoe stimmt dem sofort zu. „Danke!“
    „ Wirst du uns begleiten?“, fragt A350 an mich gewandt.
    „ Wenn ich darf.“
    „ Ich bitte dich sogar darum. Es gibt dort etwas, das du sehen solltest.“
    Ich verstehe nicht, was sie damit meint, und blicke sie fragend an, doch A350 hüllt sich in Schweigen.
     
    Als wir am Abend erneut die Krankenstation betreten, halten Zoe und ich uns an den Händen, während wir A350 zu der Zelle von Maggie folgen.
    „ Ich bin nervös, dabei gehe ich nur meine Mutter besuchen“, flüstert Zoe mir, über sich selbst lachend, zu. „Eigentlich sollte das doch das Normalste der Welt sein. Ich kann gar nicht glauben, dass sie wirklich noch am Leben ist.“
    „ Wie hast du eigentlich damals von ihrem Tod erfahren?“
    „ Die Legion hatte mir gesagt, dass alle Rebellen bei dem Angriff gestorben seien und ich die einzige Überlebende wäre. Ich habe erst später von Ruby erfahren, dass das nicht stimmt. Aber nicht einmal sie wusste, dass meine Mutter noch am Leben ist.“
    „ Warum hat die Legion dir erzählt, dass deine ganze Familie ausgelöscht wäre, wenn sie dich doch auf ihre Seite ziehen wollte? Du hast sie doch dafür hassen müssen“, überlege ich laut.
    „ Bevor man ganz alleine auf der Welt ist, verbündet man sich lieber mit dem Feind“, erklärt A350, indem sie sich in unser Gespräch einmischt. Doch Zoe schüttelt vehement den Kopf. „Ich werde nie zur Legion gehören, egal ob meine Familie tot oder am Leben ist.“
    „ Mit solchen Aussagen solltest du dich in meiner Gegenwart lieber zurückhalten“, ermahnt sie A350 streng und ich habe fast das Gefühl, Zoes Aussage hätte sie getroffen. Sie wirkt irgendwie gekränkt. Trotzdem bin ich froh, dass wir nun offen miteinander sprechen können. Zwar sind wir nicht immer einer Meinung, aber sie versucht mich wenigstens zu verstehen.
    Kaum, dass wir die Zelle erreichen, lässt Zoe meine Hand los und blickt erwartungsvoll zu A350.
    Doch diese sieht mich grinsend an. „Mach schon auf…“
    Verwirrt lege ich meine Stirn in Falten. „Ich kenne den Code nicht.“
    Amüsiert hebt sie ihre Augenbrauen. „Hältst du mich für blöd? Ich weiß, dass ihr nicht zum ersten Mal hier seid. Jetzt gib den Code schon ein.“
    Woher weiß sie das nur schon wieder? Ich habe doch die Kameraaufnahmen gelöscht. Schuldbewusst tippe ich ‚2105‘ in das Tastenfeld. Die Tür öffnet sich mit einem Klicken.
    Maggie steht bereits erwartungsvoll davor, aber als sie A350 sieht, schreckt sie panisch zurück und verschränkt die Hände über dem Kopf. „Verschwinde!“, zischt sie ängstlich.
    „ Mama, sie hat uns geholfen“, versucht Zoe sie zu beruhigen und geht langsam auf Maggie zu. Doch diese ist völlig außer sich und fletscht ihre Zähne in unsere Richtung wie ein wildes Tier. Ein Grollen dringt aus ihrer Kehle, das ihr einen verrückten Eindruck verleiht. So habe ich sie auch bei unserer ersten Begegnung empfunden, doch hatte ich die Erinnerung daran verdrängt. Gestern hat sie sich so normal verhalten. So menschlich.
    Auch Zoe wirkt geschockt über das Verhalten ihrer Mutter. „Pscht…“, flüstert sie und hält ihre Hände von sich gestreckt, so wie sie sich einem wilden Tier nähern würde. „Alles ist gut. Ich verspreche es.“
    Ruckartig springt Maggie nach vorne und zieht ihre Tochter in ihre Arme, ohne jedoch den Blick von A350 zu lassen. Sie presst Zoe an sich, so als würde jemand versuchen, ihr sie wieder zu entreißen.
    „ Nicht so fest“, bittet Zoe, aber davon bekommt