Radioactive -Die Verstossenen
55? Hier fällt es mir schwer , die Sekunden und Minuten mitzuzählen.
Ich weiß nicht, was die Fremden von uns wollen und warum wir von den anderen getrennt wurden. Wir haben nichts verbrochen, ganz im Gegenteil, wir sind die Einzigen, die ihr Brot wenigstens probiert haben. Wenn ich ehrlich bin, hätte ich gerne noch mehr davon. Jetzt , nachdem mein Magen etwas Nahrung bekommen hat, spüre ich erst , wie ausgehungert ich wirklich bin. Es ist wie ein Tropfen auf heißen Stein.
F701 ist viel zu verängstigt, um Hunger zu haben. Ihre Augen huschen unruhig durch die schmale Zelle und ihr Mund spuckt eine Frage nach der anderen aus, auf die ich alle keine Antwort weiß.
„Was machen sie jetzt mit uns?“
„Töten Sie uns?“
„Geben Sie uns noch mehr zu essen?“
„Wie viele gibt es wohl von ihnen?“
„Gibt es auch Kleinkinder, die verstoßen wurden?“
„Glaubst du , die Legion sucht nach uns?“
„Ich weiß es nicht“, antworte ich immer wieder und gleichzeitig frage ich mich, ob ich hoffen soll, dass die Legion uns findet. Wir sind radioaktiv verseucht und somit eine Gefahr. Was werden sie mit uns machen? Was würde ich an ihrer Stelle tun?
Schritte schreiten vor unserer Tür entlang. Das ist neu. Zuvor konnten wir nie etwas außerhalb der Zelle hören. Hier müssen die Wände dünner sein.
Neugierig erhebe ich mich vom Boden und tapse auf die gegenüberliegende Wand zu. Meine Finger streichen über die raue Oberfläche und der rote Sand bröselt in meine Handinnenflächen. Als ich etwas genauer hinsehe, erkenne ich die vielen winzigen Löcher in der Wand. Durch eines davon spähe ich nach draußen. Es ist so klein, dass ich kaum etwas erkennen kann. Etwas Schwarzes vor dem Loch versperrt mir die Sicht. Doch plötzlich wird der Blick freigegeben und im gleichen Moment öffnet sich die Tür. Zu meinem Bedauern ist es nicht der freundlichere Mann mit den grünen Augen, sondern der andere. Als er mich so nah vor der Tür erblickt, weiten sich seine Augen für einen Moment erschrocken. Damit hat er wohl nicht gerechnet. Misstrauisch beäugt er erst die Zelle und mustert mich dann, so als hätte ich etwas Verbotenes getan. Dabei wird die grimmige Falte zwischen seinen Augenbrauen nur noch deutlicher. Seine Augen verengen sich zu Schlitzen und erinnern mich an die Eisschicht, die zur Kühlung auf manchen Maschinen angebracht wird.
„Was machst du da?“, knurrt er feindselig.
„Nichts.“
Seine Lippen werden genauso schmal wie seine Augen, während er seine Schultern strafft und mir so noch mächtiger erscheint. Wie ein dunkler Schatten steht er bedrohlich in der Tür. Er lässt nicht eine Sekunde Zweifel daran, dass er mir kein Wort glaubt. Dabei ist es doch die Wahrheit. Es ist nicht meine Schuld, dass ihre Wände Löcher haben.
Er wendet seinen Blick von mir auf F701. „Komm mit“, befiehlt er ihr in kaltem Tonfall.
Augenblicklich erstarrt das Mädchen und reißt entsetzt die Augen auf, ohne sich von der Stelle zu rühren.
„Mach schon , oder brauchst du eine Extraeinladung?“, drängt er sie erneut und tritt einen Schritt in unsere Zelle.
„Warum?“, presse ich hervor und versperre ihm die Sicht auf F701.
In seinen Augen sehe ich , wie sehr er mich hassen muss. Es ist ihm selbst zuwider, mit mir zu sprechen.
„Ich dachte immer , man lernt in der Sicherheitszone Befehlen zu folgen und keine Fragen zu stellen.“, bringt er abfällig hervor. Ich bezweifele, dass er je in der Sicherheitszone war, sonst würde er sie nicht so sehr verachten. Je länger ich von ihr gedrängt bin, umso mehr fehlen mir die vielen Regeln, die nichts offen lassen.
„Wir sind hier aber nicht in der Sicherheitszone.“, entgegne ich trocken, wenn auch etwas zu leise um mutig zu wirken, aber er hört es trotzdem.
Seine Hand schnellt nach oben. Sie ist zu einer Faust geballt, doch dann hält er plötzlich inne. Wie eine Drohung schwebt seine Hand zwischen uns, während unsere Augen einander fixieren. Wollte er mich tatsächlich schlagen? Noch ein Grund , diesen Ort zu verabscheuen. In der Sicherheitszone ist jegliche Gewalt verboten. Wir betrachten es als unzivilisiert und als ein Zeichen von Schwäche für der Menschen, die glauben , mit Worten nicht weiterkommen zu können.
„Na gut, dann fangen wir eben mit dir an.“, gibt er sich dann doch geschlagen und umschließt mit seinen Fingern grob meinen Arm.
Ich werfe noch einen Blick zurück zu F701, bevor er mich aus der Zelle zerrt und die Tür hinter
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