Radioactive -Die Verstossenen
entgegen.
„Du willst mich töten. Ich hab’s gesehen!“, stoße ich hervor und versuche , an ihm vorbei in die kleine Halle zu spähen. Vielleicht lässt er mich von jemand anderem erschießen. Vielleicht ist er zu feige, um es selbst zu tun.
Doch plötzlich weiten sich seine Augen und die Zornesfalten zwischen seinen Augen verschwinden. Er wirkt erstaunt und fast… nett. Goldene Sonnenstrahlen verfangen sich in den sanften Wellen seines Haares und seine Augen wirken nicht länger wie ein Sturm auf See, sondern eher wie ein leicht plätschernder Bach. Aber der Anblick hält nur Sekunden.
„Red nicht so einen Blödsinn! Du hast nur schlecht geträumt.“, gibt er zurück, jedoch nicht ganz so hart und gemein.
Ehe ich etwas erwidern kann, schließt er bereits die Tür und ich bin wieder alleine. Geträumt? Was ist das?
Vielleicht werde ich verrückt. Halluzinationen sind ein Zeichen für radioaktive Verseuchung. Warum sind die Verstoßenen nicht betroffen? Haben sie ein Gegenmittel? Wenn sie eins haben, muss die Legion auch eins haben. Sie könnten es mir geben, wenn ich es schaffe , zu ihnen zurück zu finden. Sie würden mir helfen, immerhin ist die Sicherheit der letzten Menschen das Wichtigste. Bestimmt lügt Paul. Die Legion erschießt niemanden. Zu Finn würde das viel besser passen.
Mein Blick wandert durch die Zelle und bleibt an der schrägen Öffnung an der Decke hängen. Es ist kein großes Loch. Vielleicht 30 Zentimeter breit. Ich blicke an mir hinab und sehe , wie der Anzug an meinem Bauch bereits locker sitzt. Seitdem wir hier sind , habe ich abgenommen. Mir fehlen die personalisierten Nahrungseinheiten. Ich könnte gerade so durchpassen, ganz im Gegensatz zu dem breiten Paul oder auch Finn. Der Gedanke , wie er dort oben in dem Loch feststeckt, amüsiert mich und ich beginne zu kichern. Für einen Moment genieße ich das lustige Glucksen in meinem Bauch, das sich bis zu meinem Hals hinaufzieht und aus meinem Mund herausströmt. Es erinnert mich an D523. Dann schlage ich mir erschrocken die Hand auf den Mund. Was mache ich denn da? Ich bin nicht wie sie. Ich will nicht wie sie sein. Kein Rebell. Rebellion ist schlecht. Es wird Zeit, dass ich hier rauskomme. Aber so einfach ist das nicht. Es darf nicht schief gehen. Ich muss sie vorher beobachten und am besten fange ich direkt damit an.
Leisen Schrittes gleite ich zu der Wand mit der Tür und lasse mich vorsichtig zu Boden , um aus einem der Löcher zu spähen. Sofort halte ich inne , denn die Beine eines Mannes versperren mir zum Teil die Sicht. Sind es Finns? Oder Pauls? An der gegenüberliegenden Wand erspähe ich zwei weitere Männer. Komischerweise erinnern sie mich an die Sicherheitszone, denn beide sehen gleich aus. Beide haben schwarzes , struppiges Haar und anders als Finn einen fröhlichen Gesichtsausdruck. Sie stupsen einander an und erzählen sich irgendetwas, worüber sie dann herzhaft lachen. Es gefällt mir , sie zu beobachten, dabei fühle ich mich nicht ganz so allein.
F701 ist nicht zurückgekommen. Seit ich den Entschluss gefasst habe , zu fliehen , ist bereits eine Woche vergangen. Ich habe die Sonnenauf- und die Sonnenuntergänge gezählt. Dabei habe ich festgestellt, dass die Verstoßenen, nicht anders als in der Sicherheitszone, nachts meistens schlafen. Während tagsüber meistens vier Wachen in der Halle mit den vielen Gängen zu sehen sind, sind es nachts nur zwei. Am liebsten mag ich es, wenn es Jep und Pep sind. Mittlerweile habe ich rausgefunden, dass die Verstoßenen sie als Zwillinge bezeichnen. Doch so gleich , wie ich dachte , sind sie einander gar nicht. Jep hat eine schönere Stimme als sein Bruder, während Pep besser Gitarre spielt. Zudem ist Pep ein winziges Stückchen kleiner als Jep, was er dadurch auszugleichen versucht, dass er sich beim Laufen immer besonders streckt, dadurch hat sein Gang etwas Hüpfendes. Peps Lieblingsfarbe ist Grün , während Jep Blau bevorzugt. Ihre Kleidung ist immer kunterbunt und nie so trist wie die Anzüge in der Sicherheitszone oder das langweilige Schwarz von Finn.
Wann immer sie gemeinsam musizieren, vergesse ich für einen Moment meine Fluchtpläne und lausche einfach der Musik. Sie ist schöner als jedes Lachen und macht auf wundersame Weise glücklich. Wann immer Jep und Pep lachen, muss auch ich lachen. Leise für mich in meiner Zelle. Öfters haben sie mich schon gehört, aber einfach ignoriert. Einmal wollte Pep sogar nach mir sehen, doch Jep hat ihn daran
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