Radioactive -Die Verstossenen
grünen Kiefernadeln, die in meine Haut stechen. An allen möglichen Enden ist er gerissen und klebt nur noch in unansehnlichen Fetzen an meinem Körper.
Gerade jetzt geben meine Füße erneut nach und ich stürze nach vorne auf meine Knie. Der Schmerz schießt mir bis in meinen Kiefer und meine aufgesprungen Lippen. Sofort schließt sich Finns kalte Hand um meinen Oberarm und drückt kräftig zu, doch ich weigere mich und lasse mich stattdessen auf den Hintern plumpsen. Nicht einen Schritt werde ich mehr gehen. Soll er mich doch tragen!
„Steh auf!“, fordert er mich prompt auf, aber ich ignoriere ihn einfach und wische mir mit der schmutzigen und aufgeschrammten Hand über die schweißnasse Stirn.
Wie so oft reagiert er ungehalten auf meine Verweigerung und fasst mir mit beiden Händen unter die Achseln und zieht mich daran empor. Wie ein nasser Sack hänge ich in seinen Armen , bis er schließlich aufgibt und mich unsanft zurück zu Boden gleiten lässt. Zu meiner Verwunderung folgt weder eine Schimpftirade noch ein weiterer Versuch mich anzutreiben, stattdessen lässt er sich neben mich sinken. Bei einem Blick in sein Gesicht sehe ich, dass er mindestens genauso erschöpft ist wie ich selbst. Nur im Gegensatz zu mir trägt er Schuhe und festere Kleidung.
„ Fünf Minuten, dann gehen wir weiter!“, brummt er griesgrämig und verschränkt die Arme vor der Brust. Das Gefühl von Triumph macht sich in mir breit und ich fühle mich wie ein Gewinner. Ohne dass ich etwas dagegen tun kann, breitet sich ein Grinsen über meinen Mund aus.
Finn registriert es nicht sofort, da er sich weigert , mich anzusehen, aber als sein Blick für einen Sekundenbruchteil über mein Gesicht wandert, verfinstert sich seine Miene sofort. Er ist schneller wieder auf den Beinen als ich gucken kann. „Wenn du das Ganze hier so lustig findest, kannst du auch weiterlaufen.“, wirft er mir entgegen und dieses Mal ist er es, der triumphiert. Mühsam quäle ich mich wieder auf die Beine. Wenn er mir doch wenigstens seine Hand reichen würde oder ich mich an seiner Schulter abstützen könnte, aber jede meiner Berührungen scheint wie ein Stromschlag für ihn zu sein. Wann immer sich unsere Arme zufällig berühren, weicht er angewidert zurück. Dabei sollte eigentlich ich ihn verachten, immerhin ist er der Rebell und nicht ich.
Als wir endlich die Lichtung mit den Höhlen erreichen, steht die Sonne bereits in unseren Rücken, um den neuen Tag einzuläuten. Ihre Strahlen sind warm und tauchen alles in ein goldenes Licht. Obwohl ich total erledigt bin, kann ich mich dem schönen Anblick nicht entziehen. So etwas gibt es in der Sicherheitszone nicht. Kein einziges digitales Bild im Atrium wäre damit zu vergleichen. Staunend bleibe ich stehen und drehe mich um, damit ich der aufgehenden Sonne entgegenblicken kann. Mit den Händen schirme ich meine Augen vor dem grellen Licht ab, während ich dabei zuschaue, wie sie langsam die Baumwipfel empor wandert.
„Was ist denn nun schon wieder?“, will Finn direkt ungeduldig wissen, doch dann verstummt er plötzlich, während sein Blick auf meinem Gesicht verweilt.
Die goldenen Strahlen lassen den Tau auf den Blättern wie Diamanten strahlen. Der vom Regen nasse Waldboden glitzert und funkelt, während Pollen wie Zauberwesen in den durch das Blätterdach fallenden Lichtstrahlen tanzen.
Ich halte den Atem an, so beeindruckt bin ich von dem Schauspiel , und kann meinen Blick einfach nicht abwenden.
„Cleo, die mit der Sonne aufgeht.“
Verwirrt drehe ich mich um. Das war nicht Finns Stimme. Schon lange sind wir nicht mehr allein. Vor den Höhlen hat sich eine Handvoll Menschen versammelt. Bei einer von ihnen reiße ich ungläubig die Augen auf. F701? Sie ist kaum wieder zu erkennen. Ihr sonst so kahler Kopf ist von dunklem Flaum eingerahmt, während ihre Wangen leicht rosa leuchten. In den wenigen Tagen, die wir voneinander getrennt verbracht haben, muss sie einige Kilos zugenommen haben, denn sie sieht nun viel gesünder und auch lebendiger aus. Ihr kleiner Körper steckt in einem weißen Kleid, dass das bei jeder ihrer Bewegungen um ihre Beine schwingt.
Mit einem breiten Lächeln im Gesicht tritt sie auf mich zu und ergreift meine Hand. Ihre Augen strahlen und ich erkenne graue Sprenkel, die sich in unser einheitliches Lichtblau mischen.
Aber nicht nur F701 scheint mir freundlich gesinnt zu sein, sondern auch eine junge Frau mit langen blonden Haaren. Neben ihr steht ein Mann, der sich
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