Radioactive -Die Verstossenen
lassen wir die Höhlen hinter uns und laufen im Schein einer Taschenlampe in Richtung Wüste.
Auf mich wirkt es ziellos, aber an Finns Gesicht sehe ich, dass er genau weiß , wohin er geht. Bald schon sind die Lichter der Höhlen nur noch kleine Punkte am Horizont und um uns herum ist nur noch roter Sand , soweit das Auge reicht. Der Sternenhimmel über unseren Köpfen lässt mich immer wieder staunend innehalten. Die Sterne sind mehr , als ich mir je hätte vorstellen können. Hier draußen, wo nichts ist, was von ihnen ablenken könnte, wirken sie in ihrer Pracht noch strahlender. Zwischen ihnen thront der zu einem C geformte Mond.
Finn bedenkt mich mit einem kurzen Schmunzeln, bevor er mich sanft weiter schiebt. Natürlich wäre es der perfekte Zeitpunkt für ihn, mich los zu werden, aber das kann ich mir nicht vorstellen, während seine Hand sich so warm um meine schließt. Mit ihm fühle ich mich eigenartigerweise geborgen. Obwohl gerade er mir Angst machen sollte. Niemand hat mich je mehr verletzt oder beleidigt als er und trotzdem gibt er mir ein Gefühl von Sicherheit. Hat Zoe sich auch immer so in seiner Nähe gefühlt? Wie schrecklich muss es für sie sein, nun schon so lange von ihm getrennt zu sein. Aber anders als er kann sie nicht einmal jemandem davon erzählen. All den Schmerz und die Sehnsucht muss sie Tag für Tag in ihrem Inneren versteckt halten. Nicht einmal weinen kann sie , um ihrem Herzen Erleichterung zu verschaffen.
Die Landschaft beginnt sich plötzlich zu verändern. Wo zuvor noch meilenweite Ebene herrschte, erheben sich nun Hügel und Berge. Der Boden wird steiniger und fester. Trotzdem verliert Finn nicht für einen Moment die Orientierung. Den Weg, den nur er sehen kann, muss er schon viele Male gegangen sein. Wie viele Mädchen mag er schon vor mir an der Hand durch die Nacht geführt haben? Viele können es nicht sein, denn außer Florance gibt es kaum jemanden in meinem Alter unter den Rebellen. Aber vielleicht war das ja nicht immer so.
Auf allen Vieren krabbeln wir nun einen Berg empor. Kleine Steine geraten dabei immer wieder ins Rutschen und rollen knirschend unter meinen Sohlen davon , während ich versuche , nicht das Gleichgewicht zu verlieren. Finn ist nie weit weg . Ich weiß, dass er ohne mich viel schneller wäre, aber wann immer der Abstand zwischen uns zu groß wird, wartet er auf mich mit erhobenem Haupt. Denn im Gegensatz zu mir, fällt es ihm nicht schwer, den Hang hinauf zu steigen. Er scheint immer zu wissen , wann er wo am besten seine Füße hinzusetzen hat, ohne dabei ins Wanken zu geraten.
Plötzlich bleibt er wieder stehen und sein Körper hebt sich vor einem hellen Licht ab, das aus der Tiefe des Berges zu kommen scheint. Fast andächtig krieche ich neben ihn und blicke hinab ins Tal. Gleißendes , weißes Licht dringt aus einem riesigen Gebäude. Es hat weder Ecken noch Kanten und die Form einer Kugel. Wie ein gigantischer leuchtender Ball scheint sie über dem Boden zu schweben. Nur durch eine schmale Röhre ist sie mit dem Boden verbunden. Rund um das Bauwerk stehen Geräte in den unterschiedlichsten Ausführungen. Einige haben Räder und sind kaum größer als eine Schubkarre, andere erinnern mich an Flugzeuge der alten Erde.
„Das ist die Legion.“
Er hätte nichts sagen zu brauchen, um es mich wissen zu lassen. Nichts und Niemand, außer der Legion, könnte über so viel Technik verfügen. Doch frage ich mich , wo in der ganzen Anlage die Sicherheitszone versteckt sein mag. Dort gab es kein Licht, nur die Trugbilder des Atriums und die Leuchtplatten , die für Tag und Nacht sorgen.
Als könnte Finn meine Gedanken lesen, antwortet er bereits.
„Siehst du die schmale Röhre, die in den Boden führt? Dort unter der Erde ist deine Sicherheitszone. Während eure Legionsführer in Wänden aus Glas das ganze Land überblicken können, halten sie euch ohne Licht gefangen.“
Ich höre deutlich seine Verachtung, aber zum ersten Mal kann ich sie ihm nicht übel nehmen. Ganz im Gegenteil, ich selbst spüre die Wut in meinem Bauch. Jeden Tag habe ich mich in der Sicherheitszone danach gesehnt , den Himmel, die Sterne oder lebende Pflanzen zu sehen. Ich war immer dankbar für die Bilder des Atriums. Doch jetzt , wo ich weiß, dass der Aufzug der Legionsführer geradewegs in das Licht führt, dass sie uns jeden Tag , und das Jahre lang, vorenthalten haben, fühle ich mich einfach nur betrogen. Durch ihre Glasfenster können sie jeden Tag die Sonne beim
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