Rächende Geister
er mit dir zufrieden…« Bedeutungsvoll schwieg sie.
»Drohst du mir, Nofret?«, fragte Kameni zornig.
»Vielleicht.«
Kameni betrachtete Nofret voller Ärger. Dann beugte er das Haupt.
»Ich will tun, was du sagst, Nofret, aber ich glaube, dass du es bereuen wirst.«
»Drohst du mir, Kameni?«
»Ich warne dich…«
8
Zweiter Monat des Winters – 10. Tag
E in Tag folgte dem andern, und Renisenb glaubte manchmal in einem Traum zu leben.
Sie hatte sich Nofret nicht mehr genähert. Sie fürchtete sich jetzt vor ihr. Nofret hatte etwas an sich, das sie nicht verstand. Nach jenem Vorfall im Hof war Nofret verändert. Sie zeigte ein friedliches Frohlocken, das Renisenb nicht zu ergründen vermochte. Bisweilen meinte sie, ihre Vorstellung, Nofret sei unglücklich, müsste auf einem lächerlichen Irrtum beruhen. Nofret schien mit dem Dasein und mit ihrer Umgebung zufrieden zu sein.
Und doch hatte sich ihre Umgebung ganz entschieden zum Schlechten verändert. Nach Imhoteps Abreise hatte Nofret, wie Renisenb meinte, absichtlich Zwietracht gesät.
Jetzt aber bildete die Familie eine geschlossene Front gegen den Eindringling. Es gab keine Streitigkeiten mehr zwischen Satipy und Kait, und Satipy schimpfte nicht mehr mit dem unglücklichen Yahmose. Sobek machte einen ruhigeren Eindruck und prahlte weniger. Ipy verhielt sich seinen älteren Brüdern gegenüber weniger frech und anmaßend. Es schien Harmonie zu herrschen in der Familie, doch diese Harmonie brachte Renisenbs Seele keinen Frieden.
Satipy und Kait stritten nicht mehr mit Nofret – sie mieden sie. Sie sprachen überhaupt nicht mit ihr, und sowie sie auftauchte, riefen sie die Kinder und entfernten sich mit ihnen. Gleichzeitig ereigneten sich sonderbare, ärgerliche kleine Vorfälle. Ein Linnengewand Nofrets wurde mit einem zu heißen Eisen versengt, ein Farbstoff mit einem andern zusammengeschüttet. Manchmal fanden scharfe Dornen den Weg in ihre Kleidungsstücke; ein Skorpion wurde bei ihrem Bett entdeckt. Die Speisen, die ihr gereicht wurden, waren zu scharf oder gar nicht gewürzt. In ihrem Brot fand sich eines Tages eine tote Maus.
Es war eine stille, unablässige Verfolgung, die sich nicht greifen ließ – offenbar der Feldzug eines Weibes.
Dann schickte Esa eines Tages nach Satipy, Kait und Renisenb. Henet befand sich schon dort; sie stand kopfschüttelnd und händereibend im Hintergrund.
»Da sind ja meine klugen Enkelinnen«, sagte Esa und betrachtete sie spöttisch. »Was treibt ihr da eigentlich? Was höre ich – Nofrets Gewand zugrunde gerichtet, ihr Essen ungenießbar?«
Satipy und Kait lächelten. Es war kein gutes Lächeln.
»Hat Nofret sich beschwert?«, fragte Satipy.
»Nein, Nofret ist zweimal so klug wie ihr alle drei zusammen.«
Satipys Gesicht verhärtete sich.
»Du bist alt, Esa, für dich bedeuten viele Dinge nichts mehr, die uns zu schaffen machen. Wir haben beschlossen, uns selber zu helfen, uns und unsere Kinder zu schützen. Wir haben Mittel und Wege, mit einer Frau fertig zu werden, die wir nicht mögen und hier nicht dulden.«
»Schöne Worte«, versetzte Esa kichernd. »Aber schöne Worte wissen auch Sklavinnen beim Mühlstein zu machen.«
»Wahr und klug gesprochen«, ließ Henet sich aus dem Hintergrund vernehmen.
Esa wandte sich ihr zu: »Nun, Henet, was sagt Nofret zu all diesen Geschehnissen? Du solltest es wissen, du bedienst sie schließlich immer.«
»Wie Imhotep mir befohlen hat. Es widerstrebt mir natürlich, ihr zu dienen, aber ich muss tun, was der Herr mir befiehlt. Du glaubst doch hoffentlich nicht…«
Esa schnitt Henets jammernde Stimme ab: »Wir wissen Bescheid. Du bist treu und ergeben, Henet, und erntest nie den Dank, der dir gebührt. Was sagt Nofret zu alldem? Das habe ich dich gefragt.«
Henet schüttelte den Kopf.
»Sie sagt nichts. Sie… lächelt nur.«
»Ganz recht.« Esa nahm eine Jujube von der neben ihr stehenden Schale und steckte sie in den Mund. Dann stieß sie mit plötzlicher bösartiger Verdrossenheit hervor: »Ihr seid alle dumm. Nofret hat die Macht, nicht ihr. Ihr spielt ihr in die Hände. Ich möchte schwören, dass euer Tun ihr sogar gefällt.«
Satipy erwiderte scharf: »Unsinn! Nofret ist allein unter vielen. Wieso hat sie Macht?«
Esa sagte grimmig: »Die Macht einer jungen, schönen Frau, die mit einem alternden Mann verheiratet ist. Habe ich nicht Recht?« Henet zuckte zusammen. Seufzend schlang sie die Hände ineinander.
»Der Herr hält sehr viel von
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