Raecher des Herzens
Frauen ins Haus. Das Lächeln, das er Suzette schenkte, wirkte gequält. Die beiden so zu sehen, machte Celina das Herz schwer. Sie hatte keine Skrupel, ihre Zofe mit Olivier allein zu lassen. Sie selbst stieg die Treppe zu Rios Salon empor.
Rio kämpfte gerade mit seinem Gehrock. Vielleicht hatte er Stimmen und Schritte auf der Treppe gehört. Die Bewegungen des Fechtmeisters wirkten verhaltener als sonst, aber Celina blieb keine Zeit, darüber nachzudenken. »Es tut mir Leid, dass ich schon wieder ohne Voranmeldung bei dir hereinplatze«, sagte sie zur Begrüßung.
Rio führte ihre Hand an seine Lippen. »Ich habe nichts dagegen einzuwenden. Nur um deinen Ruf sorge ich mich.«
»Ich musste herkommen, solange Vater zu Hause noch mit seinem Besucher beschäftigt ist.«
Das belustigte Blitzen in Rios Augen verstärkte deren silbernen Schimmer. »Der Zeitpunkt ist fürwahr günstig gewählt.«
»Du magst das komisch finden, aber ich kann nicht darüber lachen.«
»Ich weiß«, sagte er, während er sie zu einem Stuhl am Feuer führte. »Verzeih mir und sag, was ich für dich tun kann.«
Seine Worte glichen denen des Grafen, hatten jedoch eine völlig andere Wirkung auf Celina. Dabei versuchten doch beide Männer, ihr ihren Willen aufzuzwingen. War es eine Schwäche, so unterschiedlich darauf zu reagieren? Lag es vielleicht nur daran, dass in Rio de Silvas Stimme echtes Mitgefühl schwang? Oder hatte es am Ende etwas damit zu tun, dass er so herrlich breite Schultern hatte und dazu ein Gesicht, das Frauen gleich reihenweise die Knie weich werden ließ, während der Graf eher an einen aufgeblasenen Ochsenfrosch erinnerte?
»Gibt es noch immer keine Spur von Denys?«, fragte Celina.
»Bis jetzt nicht. Es tut mir Leid.«
Sie seufzte entmutigt. »Mir auch.«
»Du bist aber sicher nicht hierher gekommen, um mich etwas zu fragen, was du auch durch einen Boten hättest erfahren können. Sag mir, was du auf dem Herzen hast.«
Celina betrachtete ihre Hände, die sie in die Falten des Umhangs gekrallt hatte. »Es gibt noch etwas anderes, das mich beschäftigt. Bei unserem letzten Treffen haben wir ja nur ganz kurz miteinander gesprochen. Aber eine Sache ... will mir nicht aus dem Kopf gehen ... Es ist so ...«
»Bitte«, unterbrach Rio ihr hilfloses Gestammel. »Sag es mir einfach.«
»Es sieht so aus, als wärst du tatsächlich der Letzte gewesen, der mit Denys gesprochen hat, bevor er verschwunden ist. Daran muss ich immer wieder denken.«
Rio sah Celina lange an. Sein Blick verdunkelte sich wie der Himmel vor einem Wintersturm. Schließlich stellte er sich mit dem Rücken zum Feuer. »Wer hat dir denn außer deiner alten Freundin noch davon erzählt?«
»Ist das wichtig?«
»Ja, durchaus. Wenn Dritte von Denys’ Besuch bei mir wissen, so bedeutet das, dass ich beobachtet werde.«
»Ich fürchte, die andere Person, die davon sprach, war ...«
»Graf de Lerida.« Rio beendete den Satz an Celinas Stelle.
»Woher wusstest du das?«
»Das ist eine der wenigen logischen Schlussfolgerungen, die ich aus der ganzen Sache bislang ziehen kann. Aber sag mir, wenn ich schwöre, dass es deinem Bruder gut ging, als ich ihn zum letzten Mal sah, glaubst du mir dann?«
Das war eine wichtige Frage. Celina suchte in ihrem Herzen nach einer Antwort und wünschte sich, dass sie positiv ausfallen würde.
»Ja oder nein, Celina? Die Antwort ist nicht schwierig. Folge einfach deinem Gefühl.«
Sie sah ihn forschend an. Er stand ruhig da und erwiderte ihren Blick. Er versuchte nicht, sie mit Worten zu überzeugen oder sie zu beeinflussen. Sein Blick war direkt, seine Haltung aufrecht. Die Hände hatte er locker hinter dem Rücken verschränkt. Bewegungslos verharrte er und wartete auf ihr Urteil. Das Kerzenlicht betonte seine markanten Züge, unterstrich die Linien, die das Leben in sein Gesicht gezeichnet hatte, ließ seinen weißen Hemdkragen in scharfem Kontrast zu der locker gebundenen schwarzen Krawatte aufschimmern.
Konnte ein solcher Mann ein Lügner sein?
»Ja«, sagte Celina schließlich. »Ich glaube dir.«
Sein Lächeln war wie eine Auszeichnung. Er atmete tief durch und bewegte dann die Schultern, als wären
sie steif geworden. Als er nun sprach, klang seine Stimme tief und ruhig. »Ich versichere dir, dass Denys mein Studio bei bester Gesundheit verlassen hat.«
Celina war die Erleichterung deutlich anzusehen. Daran konnte Rio ermessen, wie sehr sie gefürchtet hatte, etwas anderes erfahren zu müssen. Sie
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