Raecher des Herzens
soll ihrer Herrin von dem Plan erzählen.«
Rio kehrte ins Studio zurück. Er begrüßte Stammkunden, hieß bislang unbekannte Herren willkommen, beantwortete Fragen und tat auf Drängen der Herrschaften hin seine Meinung über so wichtige Angelegenheiten kund wie die Tanzvorführungen einer gewissen Madame Celeste und über das aussichtsreichste Pferd für die Rennen, die in zwei Wochen auf der Metairie-Bahn stattfinden würden. Doch das Gespräch mit Olivier hatte Rios Aufmerksamkeit geschärft. Er merkte, dass so manche Unterhaltung abgebrochen wurde, wenn er sich näherte, dass hier und da die Sprecher sogar ganz verstummten, wenn er an einer Gruppe vorbeiging. Auch fielen ihm die vielen neugierigen Blicke auf, mit denen er mehr oder weniger verstohlen gemustert wurde. Rio versuchte, sich nichts anmerken zu lassen, lächelte und verbeugte sich, bot Wein und Zigarren an. Doch dabei verfinsterte sich seine Stimmung zunehmend.
Er sorgte sich nicht um sich selbst, denn solange er es verstand, den Degen meisterhaft zu führen und sich in Fragen der Ehre als untadelig zu erweisen, sah man ihm die eine oder andere Schwäche nach. Aber es machte ihn wütend, dass diese Gentlemen aus gutem Hause, die sich so viel auf ihre Manieren einbildeten, hinter vorgehaltener Hand über Celina tuschelten und kicherten. Dass Rio sich selbst die Schuld an allem gab, was seine Kunden Celina als unschicklich ankreideten, machte die Sache nicht besser. Er hatte ihren Ruf ruiniert. Dabei hatte er genau das von Anfang an vermeiden wollen.
Rio beruhigte gerade einen jungen Gentleman, der seinen ersten Übungskampf verloren hatte und deshalb theoretisch tot war, da spürte er, wie von hinten jemand an ihn herantrat. Das unangenehme Prickeln im Nacken ließ ihn herumfahren.
»Vergeben Sie mir«, sagte Nicholas Pasquale. »Ich wollte mich nicht anschleichen.«
»Schon gut.« Rio deutete eine höfliche Verbeugung an.
Pasquale erwiderte den Gruß mit lässiger Eleganz. »Ein schönes Studio haben Sie hier, und einen beeindruckenden Kundenstamm.«
Rio dankte ihm für das Kompliment und sagte dann: »Ihr eigenes Studio ist heute nicht geöffnet, soweit ich weiß.«
»Leider nein. Sie, Croquere und Dauphin sind eine zu starke Konkurrenz. Von Llulla ganz zu schweigen. Ich unterrichte lieber an den Tagen, an denen die anderen Pause machen.«
»Das gilt auch für Caid O’Neill. Kennen Sie ihn?«
»Ja, wir sind einander schon begegnet. Ich mag ihn recht gern.«
Rio fragte sich, was er von dieser Bemerkung halten sollte. Handelte es sich nur um eine harmlose Feststellung, oder wollte Pasquale damit ausdrücken, dass er Rios Gesellschaft weniger schätzte als die gewisser anderer Maitres? Wie auch immer die Antwort lautete, der Ton des Italieners gefiel ihm nicht. »Ja, Caid ist wirklich ein prima Kerl.«
»Er ist sehr beeindruckt von Ihnen, vor allem von Ihrem Geschick im Umgang mit dem Degen. Wo man auch hinhört, überall schwärmt man von Ihrer Fechtkunst. Selbst Leute, die sonst nicht so sehr von Ihnen eingenommen sind, halten Sie für einen großen Könner.« Ein leises Lächeln umspielte die Lippen des Italieners. »So viel Lob macht neugierig. Es wäre mir ein Vergnügen, die Klingen mit Ihnen kreuzen zu dürfen, wenn Sie mir die Ehre gewähren wollen.«
Rio war im Augenblick nicht in der Verfassung, sich mit einem anderen Fechtmeister zu messen. Zudem traute er dem Italiener nicht. Es wäre nicht das erste Mal gewesen, dass ein Fechtlehrer versuchte, einen anderen in dessen eigenem Atelier zu besiegen, um ihm Kunden abspenstig zu machen. »Es tut mir Leid, aber im Moment kann ich Ihnen den Gefallen nicht tun«, antwortete Rio. »Vielleicht ein andermal.«
»Ganz wie Sie wollen.« Pasquale setzte ein vielsagendes Lächeln auf. »Ich verstehe Ihre Zurückhaltung. Wenn ich am Abend eine so liebreizende Besucherin erwarten würde, erginge es mir nicht anders.«
Rio starrte ihn einen Augenblick lang durchdringend an. »Wie darf ich das verstehen?«
»Ich bitte Sie, de Silva! Die ganze Stadt spricht doch von der neuesten Eroberung des Don Juan von New Orleans, des berühmten Silbernen Schattens. Soweit ich unterrichtet bin, ist Mademoiselle Vallier die Auserwählte. Sie sind zu beneiden.«
In diesem Augenblick fielen Rio Caids Worte wieder ein. Er hatte behauptet, der Graf suche nach einem Fechtmeister, der sich mit ihm anlegen würde. Offenbar hatte er den richtigen Mann gefunden. Dass Pasquale es Wagte, derart offen von Celina zu
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