Raecher des Herzens
unzähligen kleinen Knöpfe auf dem Rücken waren für das angenehme Kribbeln in Rios Fingern verantwortlich, und plötzlich hatte er das Gefühl, die Hose werde ihm zu eng.
»Meine Auffassung von Ehre und mein Pflichtgefühl, denke ich«, antwortete Celina und wich Rios Blick aus. »Aber tut es denn überhaupt etwas zur Sache, warum ich hier bin?« Sie sah sich um. »Das Haus ist recht ... gemütlich.«
»Darf ich dir ein Glas Wein anbieten?«
Ein schiefes Lächeln spielte um Celinas Mundwinkel. »Damit ich mir Mut antrinken kann, oder um die Leidenschaft anzufachen? Ach, einerlei - ich trinke einen Schluck.«
Rio nahm die Weinflasche aus dem Kühler. Dann zögerte er. »Wenn du lieber wieder gehen möchtest ...«
»Davonlaufen? Ich denke nicht.« Celina ging zu einem Tisch, auf dem zahllose winzige Figürchen arrangiert waren. Sehr wertvoll mochten sie nicht sein, doch wer sich für fernöstliche Erotika erwärmen konnte, fand die Elfenbeinschnitzereien sicher amüsant. Celina nahm eines der kleinen Kunstwerke zur Hand, betrachtete es einen Augenblick lang und stellte es dann hastig wieder an seinen Platz zurück.
Rio musste ein Lächeln unterdrücken. Geflissentlich beschäftigte er sich mit den Weingläsern und trug sie zu dem Platz am Kamin, den sich Celina ausgesucht hatte. »Lieber feige sein als eine Märtyrerin.«
Rio reichte Celina ein Glas. Mit einiger Zufriedenheit bemerkte er, dass sie zusammenzuckte, als er dabei wie zufällig ihre Finger berührte. Sie war offenbar genauso nervös wie er.
»Ich kann mir nicht vorstellen, dass es dich wirklich interessiert, wie ich mich fühle.«
»Das solltest du nicht glauben. Und außerdem - wer ein Leben als Kurtisane erstrebt, sollte während der
Lehrzeit wenigstens ein bisschen Spaß an der Sache entwickeln.«
»Ach, ich bitte dich«, sagte Celina. Endlich sah sie ihm für einen Augenblick ins Gesicht. »Das war doch alles nur dummes Gerede - wie wenn ein unbedarfter Jüngling davon spricht, zur See zu fahren oder sich Schaustellern oder anderem fahrenden Volk anzuschließen.«
Demnach schien ein Leben als Kurtisane Celina nicht mehr erstrebenswert. Damit vermochte sie weitere intime Kontakte mit Rio vor sich selbst also nicht mehr zu rechtfertigen. Rio war gleichzeitig enttäuscht und erleichtert.
Er nippte an seinem Wein. Das Spiel begann ihm Spaß zu machen. »Du denkst also nicht mehr daran, nach Paris durchzubrennen?«
»Nein. Das ist vorbei.«
Offenbar hatte Celina nicht vor, ihm zu sagen, dass sie den Ehevertrag unterzeichnet hatte. Rio fragte sich warum, denn sie hätte diese Tatsache gut als Entschuldigung dafür verwenden können, dass sie ihren Teil des Handels nun nicht mehr erfüllen konnte. »Eigentlich schade«, sagte er in einem Ton, von dem er hoffte, dass er vielsagend klang. »Ich hatte mich schon darauf gefreut, dein Lehrmeister zu sein.«
Celina verschüttete beinahe ihren Wein. Hastig nahm sie einen Schluck. Rio beobachtete, wie die weiße Haut an ihrer Kehle dabei zuckte, und stellte sich vor, wie er diese Stelle mit den Lippen liebkosen würde. Ein wenig würde er sich noch gedulden müssen. Für den Augenblick war es klüger, sich einem unverfänglicheren Thema zuzuwenden. »Wie geht es deinem Bruder?«
»Er spricht im Schlaf. Der Arzt sagt, dass er das Bewusstsein sicher bald wiedererlangen wird, es sei nur noch eine Frage der Zeit. Aber ich fürchte, der Mann will uns nur beruhigen.«
»Das glaube ich nicht. Denys ist jung und kräftig. Er wird wieder gesund werden.«
»Dafür bete ich. Ich weiß nicht, was mein Vater tun würde, wenn er stirbt.«
»Ich glaube nicht, dass wir uns darüber den Kopf zerbrechen müssen«, sagte Rio. »Aber abgesehen davon ...«
»Abgesehen davon scheint es ihm im Augenblick am allerwichtigsten zu sein, einen Skandal zu verhindern.«
»Das würden wohl die meisten Väter so sehen«, antwortete Rio.
»Ja.« Celina leerte ihr Glas und stellte es auf dem Kaminsims ab. »Aber sag, wie geht es dir?«
Rio legte fragend den Kopf schief.
»Bitte mach mir nichts vor.«
»Wenn deine Nachfrage meine Schulter betrifft - sie ist auf dem Wege der Besserung.« Wenigstens hatte die Wunde den ganzen Tag noch nicht geblutet.
»Es sei denn, jemand fordert dich heraus.« Wusste Celina von dem Duell? War das der Grund für ihr Kommen? Sorgte sie sich wegen des Kampfes gegen Pasquale? Rio wollte nicht fragen, denn Mitleid war ihm zuwider.
Überhaupt wollte er nur noch eines: Celina berühren, sie in
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