Raecher des Herzens
seine Arme reißen, sie an sich drücken und ihre warme, nackte Haut an der seinen spüren. Aber das war noch nicht alles, was er sich wünschte.
»Sollen wir dieses seltsame Kräftemessen nicht been-
den?« Celina sah Rio geradewegs in die Augen. »Schließlich befinden wir uns nicht bei einem Duell. Wir wissen doch beide, warum wir hier sind.«
Rio studierte ihr Gesicht. Er sah die Schatten, die die durchwachten Nächte und die Sorge um den Bruder auf der zarten Haut hinterlassen hatten, betrachtete die Mundwinkel, die immer wieder leise zitterten. Nun musste er doch fragen. Er atmete tief durch. »Warum bist du gekommen, cherie!«
»Um meine Schulden zu begleichen natürlich. Und vielleicht auch, um mich später daran erinnern zu können.« Celinas Ehrlichkeit war beinahe so schmerzhaft wie der Ausdruck in den goldbraunen Tiefen ihrer Augen. Sie hatte den Mut, zu tun, was sie für richtig hielt, auch wenn sie sich selbst damit schadete. Gegen den Aufschrei seines eigenen Begehrens sagte Rio: »Und wenn ich dich von deiner Schuld entbinden würde?«
»Bitte tu es nicht«, flüsterte sie.
»Tu es nicht?« Rio wollte seinen Ohren nicht trauen.
»Ich brauche ... Ich würde lieber Wort halten.«
In Rios Stimme schlich sich ein ironischer Unterton. »Aus reinem Ehrgefühl?«
»Ja, auch. Aber auch weil ... ach, alles ist so verfahren, aber ich muss mein Schicksal annehmen, wie es ist. Nur zu bald werde ich wie lebendig begraben sein, und du bist kein Teil des Daseins, das mich erwartet. Ich will wenigstens für ein paar Augenblicke alles von mir wegschieben und das Vergessen suchen.«
»Obwohl du mich verachtest? Oder gerade deshalb?«
»Du bist anders. Mit dir kann ich mich so geben, wie ich wirklich bin. Ich muss mich nicht verstellen. Mit dir kann ich für eine Weile den Gedanken daran verdrängen, wie meine Zukunft aussieht, und einfach ... fühlen.« Celina berührte Rios Kragen und strich sanft mit den Fingerspitzen darüber. Zwischen ihren Wimpern schimmerten Tränen. »Willst du mir dabei helfen?«
Rio stellte sein Weinglas ab und trat dicht vor sie hin. »Es wird mir ein Vergnügen sein«, flüsterte er. Dabei legte er eine Hand auf ihre von Seide umhüllte Taille und zog sie an sich. »Und eine große Ehre.«
Ihr Mund schmeckte nach Wein, nach dem Salz der Tränen und dabei doch so süß und verführerisch, dass Rio kaum hörbar aufstöhnte, als Celina seinen Kuss erwiderte. Die warmen Rundungen, die seine Handflächen durch die glatte Seide hindurch erforschten, brachten sein Blut zum Kochen. Das Wissen, dass er Celina haben konnte, stieg ihm zu Kopf wie ein fiebriger Schwindel. Das Blut sammelte sich in seinem Unterleib und löschte jeden vernünftigen Gedanken aus. Nur der Instinkt und ein letzter Rest von Prinzipien blieben ihm noch.
Nie zuvor hatte er in den Armen einer Frau ein so überwältigendes Gefühl der Zärtlichkeit empfunden. Plötzlich wünschte er sich, er wäre in der Liebe noch so unerfahren wie Celina, damit sie gemeinsam die Wonnen der Leidenschaft entdecken konnten. Aber gleichzeitig war er froh, dass er über die notwendige Erfahrung verfügte, ihre Flucht in seine Arme zu einem Erlebnis zu machen, welches das Risiko rechtfertigte, das sie damit einging.
Sie war sein, er konnte sie haben. Aber er musste auch an die Folgen denken. Zu oft vergaßen Männer und Frauen im Strudel der Gefühle, welche Konsequenzen die Verschmelzung der Leiber mit sich bringen konnte. Er schob Celina ein wenig von sich fort und wollte etwas sagen.
»Nein, bitte nicht«, flüsterte sie. »Ich habe so viele Gründe gefunden, warum wir es nicht tun sollten, dass sie für uns beide ausreichen - und alle wieder verworfen. Ich weigere mich, irgendetwas zu bereuen, weder jetzt noch in Zukunft.«
Woher hatte sie gewusst, woran er dachte? Waren seine Bedenken so offensichtlich, oder war sie eine Zauberin, die seine Gedanken lesen, ihm den Atem nehmen und sogar heimlich sein Herz stehlen konnte? Rio wusste es nicht, und es war ihm auch einerlei. Unter dem unwiderstehlichen Bann ihrer Hingabe ließ er alle Zweifel und alle Vernunft fahren und unterwarf sich ganz Celinas unschuldigem Zauber.
In Rios Küssen mischte sich die Leidenschaft mit einer Spur von Verzweiflung. Celina ließ sich von seinen Berührungen neu formen. Sie lehnte sich an ihn und gab sich ganz den Händen hin, die streichelten, umfingen und forschten.
Das Blut rauschte durch Rios Adem wie glühende Lava. Celina heizte seine
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