Raecher des Herzens
sie in dieser Haltung auf eine Leinwand gebannt. Vom Kampfplatz her wurde geschrien und gerufen. Caid und Olivier waren bereits zur Stelle, und gleich darauf kam auch Gilbert hinzu.
Der Graf hatte kaum einen Blick für die Versammlung übrig. Rückwärts bewegte er sich auf die Droschke zu. Er ertastete den Griff der Tür und riss sie auf. Rückwärts erklomm er auch die Stufe, die ins Innere des Wagens führte. Dabei rief er dem Kutscher zu, es sei ihm zehn Silberstücke wert, wenn er vor jedem anderen Gefährt die Stadt erreiche.
Der Mann, der das Geschehen bislang mit offenem Mund verfolgt hatte, beeilte sich, die Bremse zu lösen, und griff nach der Peitsche. Der Knall der schwarzen Schlange über den Köpfen der beiden Pferde war wie ein Pistolenschuss. Unsanft setzte sich der Wagen in Bewegung.
Der Graf warf sich in die Kabine. Rio erhaschte einen kurzen Blick auf Celinas blasses Gesicht. Er sah, wie sie von der Tür wegsprang und sich in den äußersten Winkel des engen Kastens drückte, um nur ja weit fort von dem fetten Spanier zu sein. Krachend fiel die Tür hinter ihm zu.
Schon wirbelten die Räder der leichten Kutsche den Staub der Fahrstraße auf, der sich wie eine weiße Wolke hinter dem holpernden Gefährt in die Lüfte erhob.
Neunzehntes Kapitel
Die Droschke schlingerte die Straße entlang, gefährlich schwankte sie von einer Seite zur anderen, während die Wagenräder durch Spurrillen und Schlaglöcher holperten. Celina war durch ihren Sprung und den rasanten Beginn der Fahrt aus dem Gleichgewicht geraten und zu Boden gestürzt. Sie rappelte sich wieder auf und setzte sich in Fahrtrichtung auf die Bank neben Suzette. Auf der Bank gegenüber verstaute ihr Verlobter gerade die Pistole in der Westentasche. Er riss den ledernen Vorhang vom Fenster, steckte den Kopf hinaus und starrte zurück zu den Eichen, wo die Menge, die dem Duell beigewohnt hatte, gerade in einer Staubwolke verschwand.
Celina warf einen Blick auf ihre Zofe. Diese hielt sich krampfhaft an einer Halteschlaufe fest, um nicht durch das wilde Schlingern des Wagens von der Bank geworfen zu werden. Suzette war blass, wirkte aber gefasst. Sie starrte den Grafen unbeweglich an. Celina folgte ihrem Blick. Dabei ergriff eine Abneigung, die an Hass grenzte, von ihr Besitz. Der Anblick der Pistole, die noch vor einem Augenblick auf Rio gerichtet gewesen war, hatte ihr die Kehle zugeschnürt. Und nun steckte der Graf die Waffe so beiläufig weg, als stellten sie und Suzette keinerlei Bedrohung für ihn dar. Celina begann vor Wut zu zittern.
»Was soll das? Lassen Sie die Kutsche sofort anhalten und steigen Sie aus!«
»Halten Sie den Mund«, herrschte der Graf sie an.
»Sie haben mir gar nichts zu sagen. Immerhin sind wir nicht verheiratet und werden es nach allem, was ich soeben beobachtet habe, auch nie sein. Das ist meine Kutsche ...«
»Soweit ich sehen kann, ist das eine Mietdroschke, und von den Männern dort hinten weiß außer de Silva und seinem neuen Freund kaum einer, dass Sie darin sitzen. Aber das könnte sich schnell ändern. Es wäre mir nämlich ein Leichtes, Sie auf die Straße hinauszuwerfen.«
»Monsieur de Silva wird uns folgen.«
»Ich wüsste nicht, warum er das tun sollte. Und nun hören Sie mit dem Gewinsel auf. Ich muss nachdenken.«
Celina konnte nur mit Mühe den Impuls unterdrücken, selbst die Tür aufzureißen und aus dem Wagen zu springen. Doch einerseits wollte sie Suzette nicht einfach zurücklassen. Andererseits glaubte sie nicht, dass ihr dieses Vorhaben gelingen würde. Im schlimmsten Fall gab sie dem Grafen damit sogar einen Vorwand, sich noch einmal an ihr zu vergreifen. Sie musste ihr Temperament zügeln und sich einen besseren Ausweg aus dieser scheußlichen Situation überlegen.
»Wohin fahren wir?«
»An einen Ort, an dem wir ungestört sind«, antwortete der Graf. Dabei starrte er unentwegt angestrengt hinter der Kutsche die Straße hinunter. »Dort werde ich Sie dann Gehorsam lehren. Unter anderem.«
»Man wird Alarm schlagen und nach mir suchen lassen.«
Der Graf streifte Celina mit einem eisigen Blick. »Es wird einige Zeit dauern, bis man Sie gefunden hat. Und dann ist es zu spät.«
Der hämische Unterton in der Stimme dieses Scheusals bestätigte Celinas schlimmste Befürchtungen. Einen Augenblick lang drohten Angst und Ekel, sie zu überwältigen. Doch dann gewannen Wut und Entschlossenheit wieder die Oberhand. Dieser Mann wollte sie mit Gewalt nehmen, sie kompromittieren. Aber
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