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Raecher des Herzens

Titel: Raecher des Herzens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jennifer Blake
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konnte. Aber sie musste es wenigstens versuchen.
    Es erwies sich als gar nicht so schwer. Rio stand auf und reichte ihr die Hände. Er stützte sie, bis ihre Benommenheit ein wenig nachließ. Die anderen Fechter bildeten mit ihren mächtigen Körpern einen Sichtschutz. Sie sollte die blutüberströmte Leiche des Grafen nicht anschauen müssen. Rio führte Celina in den kleinen Salon, wo Tante Marie Rose bereits intensiv mit ihrem Riechsalz beschäftigt war. Nur mit Hilfe des scharfen Geruchs, der der kleinen Flasche entströmte, gelang es ihr, die drohende Ohnmacht abzuwehren. Neben der Tante wartete Suzette. Celinas Vater schob alle aus dem Haus, hinaus zur Kutsche. Schon wenige Augenblicke später fuhren sie davon, ließen Chaos und Tod in dem kleinen Haus zurück.
    Celina lehnte den Kopf an die harte lederne Lehne der Sitzbank und schloss die Augen. Zwar pochte der Schmerz noch in ihrem Kopf, doch sie spürte das Leben in jedem Pulsschlag, fühlte das Herz warm in ihrer Brust schlagen. Sie lebte noch, und es war vorbei. Endlich.
    Das Amulett hielt sie nach wie vor fest umklammert. Die scharfen Kanten des silbernen Rahmens gruben sich in ihre Handflächen. Das schmerzte, aber sie ließ das Schmuckstück nicht los.
    »Mademoiselle, Besuch ist da.«
    Mortimer ließ seine Ankündigung sehr wichtig klingen. Außerdem hatte er die Tür hinter sich geschlossen, bevor er überhaupt etwas sagte. Celina blickte von ihrem Stickrahmen auf. Trotz der Kühle, die schon den ganzen Tag herrschte, war ihr plötzlich warm. »Besuch? Für mich?«
    »Mais non, für Ihren Herrn Papa. Sie sind gerade im Arbeitszimmer. Ich soll ihnen Wein bringen.«
    Celina legte nachdenklich die Stirn in Falten. »Und wie ist der Name des Besuchers?«
    »Das ist es ja, M am’zelle. Er nennt sich ...«
    Wieder wurde die Tür aufgerissen. Diesmal stürzte Suzette in den Salon. »Monsieur Rio ist da, Mam’zelle ! Komm, du musst dich umziehen.« Verwundert starrte sie den Butler an. »Tiens, warum stehen Sie hier herum? Bringen Sie den Herren sofort ihren Wein. Schnell, schnell!«
    »Ja. Ich danke Ihnen, Mortimer«, sagte Celina. Dabei legte sie den Stickrahmen beiseite und erhob sich. Als der alte Mann endlich durch die Tür war, fragte sie: »Nach mir hat man noch nicht geschickt?«
    »Noch nicht, aber es kann jederzeit so weit sein.«
    »Dann warte ich einfach hier.« Celina nahm wieder Platz und griff nach der Nadel.
    »Was soll das, Mam’zelle ? Du wirst doch wohl wissen, warum Monsieur Rio hier ist!«
    »Nein, das weiß ich nicht. Schließlich hat mir das noch niemand gesagt. Seit zwei Tagen habe ich nichts mehr von ihm gehört. Es wird wohl kaum mehr sein als ein Höflichkeitsbesuch.«
    »Oh, Mam’zelle!«
    Mit einem ruinierten Ruf, so hatte Celina festgestellt, lebte es sich wie mit einer Krankheit. Jeder ging davon aus, dass sie keinerlei Interesse daran hatte, das Haus zu verlassen. Die Tante sprach sie nur mit gedämpfter Stimme an, ganz so, als sei sie in Trauer. Auch der Vater und Denys, der inzwischen fast wieder völlig genesen war, hielten es nicht anders. Natürlich glaubte niemand ernsthaft, dass sie um den Grafen trauerte. Aber alle wussten nur zu gut, was das blutige Ende ihrer Verlobung angesichts ihres ruinierten Rufs zu bedeuten hatte. Das Mitleid, das man Celina entgegenbrachte, verdankte sie dem Umstand, dass sich nun wohl kein Bräutigam mehr für sie finden würde.
    Celina fand das Leben mit der Schande längst nicht so schrecklich, wie sie befürchtet hatte. Die Erleichterung darüber, den Grafen niemals wieder sehen zu müssen, wog manches andere auf. Innerlich spürte sie keine Veränderung. Sie war weder krank, noch fürchtete sie binnen Jahresfrist zu verkümmern. Eigentlich fühlte sie gar nichts. Eine seltsame Benommenheit hatte von ihr Besitz ergriffen und vertrieb die Verzweiflung, die sich in ihrem Herzen einzunisten drohte.
    Celina wusste, dass diese vor allem daher rührte, dass Rio nichts von sich hören ließ. Eigentlich hatte sie damit gerechnet, eine Nachricht von ihm zu erhalten, hatte gehofft, dass er wieder einmal wie ein Geist in ihrem Zimmer erschien oder wenigstens der Familie einen Höflichkeitsbesuch abstattete. Aber seit den Ereignissen in der Rue des Rampart hatte sie nichts mehr von ihm gehört.
    Natürlich war er ihr zu nichts verpflichtet. Celina hatte kein Recht zu erwarten, dass er sich noch einmal bei ihr meldete. Dennoch, was zwischen ihnen vorgefallen war, ging über ein oberflächliches

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