Raecher des Herzens
Darunter befanden sich Tartanstoffe, Kaschmirtücher und sogar Kostbarkeiten aus der Schweiz. Celina hatte sich die Angebote ansehen wollen, bevor alles ausverkauft war. In Wirklichkeit war der Einkaufsbummel aber nur ein Vorwand gewesen. Denn Celina wusste, dass sie draußen auf der Straße sehr viel schneller erfahren würde, wie das Duell ausgegangen war, als zu Hause in ihrem Zimmer.
Gemeinsam machten sich die Frauen auf den Rückweg zum Stadthaus. Suzette trug den Einkaufskorb. Die Sonne stand schon hoch am Himmel, doch die Balkone der Häuser spendeten wohltuenden Schatten. Normalerweise ging Celina langsam, grüßte Bekannte, wechselte hier und da ein paar Worte und erfreute sich an den filigranen Schatten, die die schmiedeeisernen Balkongeländer aus den Werkstätten von Sevilla auf die Bürgersteige warfen. Doch diesmal hatte sie kein Auge für die vielen kleinen schönen Dinge, die sie umgaben. Sie hastete an einer Apotheke und an einer Bäckerei vorüber, ohne auf die Düfte zu achten, die aus den offenen Türen drangen. Sie warf keinen einzigen Blick auf die Schildpattkämme, Rasierpinsel, Rasiermesser und Messer im Schaufenster des Kurzwarenladens. Selbst Madame Freret, die gerade die Geranien in ihrem Innenhof goss, bedachte Celina mit einem so flüchtigen Gruß, dass es an Unhöflichkeit grenzte. Die Aufforderung, einzutreten, ein Stück Kuchen zu essen und ein Glas eau sucre zu trinken, überhörte sie geflissentlich. Ungeduldig fertigte sie zwei Nonnen, die ihr entgegenkamen, mit ein paar höflichen Floskeln ab und verneigte sich hastig vor einem Freund ihres Vaters. Nach jeder kurzen Unterbrechung klickten die Absätze ihrer Schuhe nur noch schneller über das Pflaster. Endlich kamen sie am Stadthaus der Valliers an.
Denys war nicht zu Hause.
»Tiens!«, rief Celina ungeduldig. Ohne die Bänder richtig gelöst zu haben, riss sie sich die Haube vom Kopf. »Wahrscheinlich trinkt er irgendwo auf Rios Sieg.«
»Es sollte mich wundern, wenn es nicht so wäre, Mam’zelle.«
»Aber er weiß doch, dass ich auf eine Nachricht warte. Wie kann er mich so auf die Folter spannen?«
Suzette nahm Celina die Haube aus der Hand, damit das gute Stück keinen Schaden nahm. »Beruhige dich, chere. Er hat schließlich keine Ahnung, wie wichtig der Ausgang des Duells für dich ist.«
»Was heißt schon wichtig?«, sagte Celina sofort. »Ich habe nur ein schlechtes Gewissen, weil sich Monsieur de Silva meinetwegen in Gefahr begeben hat.« Suzette war ebenfalls beim Maskenball gewesen. Man wusste schließlich nie, wann eine Haarsträhne in Celinas Frisur neu festgesteckt werden musste oder wann ein Unterrock frisch geschnürt werden wollte. Sie hatte die unschöne Szene mit angesehen, die zu dem Duell mit Broyard geführt hatte.
»Ja, natürlich. Ich weiß.« Suzette legte die Haube neben den Einkaufskorb, den sie auf den Tisch im Salon gestellt hatte. Hier sammelten sich im Laufe des Tages allerhand Gegenstände an. Auch die Einladungskarten wurden auf dem Tisch abgelegt.
Celina musterte Suzette aus zusammengekniffenen Augen. »Dir erginge es an meiner Stelle bestimmt nicht anders«, sagte sie.
»Gewiss nicht. Möchtest du jetzt gern einen Milchkaffee? Du hast heute noch gar nichts zu dir genommen. Die Köchin könnte dir ein schönes Omelett machen.«
»Ich habe keinen Hunger. Du meinst wohl, es gäbe keinen Grund für Gewissensbisse.«
»Nun ja, ich frage mich ...«
»Was fragst du dich?« Celina zog sich mit hastigen Bewegungen die Handschuhe von den Fingern.
»... ob du tatsächlich der Grund für die Duelle bist.« Suzette warf ihrer Herrin einen unsicheren Blick zu. »Denk doch nur, chere, schon zum zweiten Mal innerhalb einer Woche wurde deine Ehre nun mit dem Degen verteidigt. Doch du hast nicht darum gebeten und konntest auch nichts dafür, dass es so kam. Irgendetwas stimmt da nicht.«
Celina hatte plötzlich das Gefühl, wieder ein wenig freier atmen zu können. Die ganze Sache war ihr von Anfang an seltsam vorgekommen, doch sie hatte nicht die rechten Worte für ihre dumpfen Zweifel gefunden. Suzette schien das weniger schwer zu fallen. »Aber was könnte dahinterstecken?«
»Nun, Monsieur de Silva war beide Male in die Sache verwickelt.«
»Der Graf ebenfalls.«
»Monsieur Denys auch. Aber er musste dich ja schließlich zu dem Ball begleiten.«
Celina nickte. »Was ist mit Broyard? War er gestern nur zufällig da?«
»Man könnte es meinen. Aber vielleicht sieht es auch nur so aus.
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