Raecher des Herzens
sie werfen ein schlechtes Licht auf die Dame, die er zu ehelichen gedenkt. Durch sein Gerede weiß nun bald die ganze Stadt, dass du in die Sache verwickelt warst.«
»Welch eine unsägliche Dummheit«, sagte Celina ärgerlich.
»Ja, das ist wahr. Aber was, wenn er nun die Verhandlungen über den Ehevertrag abbricht?«
Celina reckte trotzig das Kinn. »Ich glaube, das würde ich überleben.«
»Aber alles wartet darauf, dass endlich eure Verlobung bekannt gegeben wird. Wenn er sein Angebot zurückzieht, wird sich vielleicht in diesem Jahr kein Mann mehr für dich finden - falls sich überhaupt noch einmal einer für dich interessiert.« Die beinahe farblosen Augen der Tante füllten sich mit Tränen. »Ich habe dich im Stich gelassen, chere. Ich hätte dich vor dieser Schmach bewahren müssen.«
»Wie hättest du mich vor etwas schützen sollen, von dem du gar nichts wusstest?« Celina kniete vor dem Sessel nieder, in dem die Tante saß. »Mach dir keine Sorgen. Es wird alles gut werden. Es tut mir nur Leid, dass du es nicht von mir selbst erfahren hast. Aber ich dachte, es sei halb so wild. Ich ging nur zu dem Ball, weil ich mit Monsieur de Silva sprechen wollte und hoffte, einen Weg zu finden ...«
»Nein! Sag mir, dass du dich nicht derart selbst kompromittieren wolltest!«
»Ich musste mit ihm sprechen. Schließlich ist es meine Schuld, dass er nun ständig Duelle auszufechten hat.«
Die Tante ließ sich stöhnend gegen die Sessellehne sinken. »Dein Vater wird mich hinauswerfen, ja, hinauswerfen wird er mich! Sicher glaubt er, alles sei allein meine Schuld.«
»Nein, nein. Dafür kennt er mich zu gut. Bitte wein doch nicht.« Celina hielt die Hände der Tante fest. »Bitte.«
»Aber das ist ein Skandal! Eine Katastrophe! Wir können uns nirgendwo mehr blicken lassen.«
»Ich habe doch gar nichts Unrechtes getan.«
»Als ob es darauf ankäme«, sagte die Tante seufzend. »Du warst auf dem Ball und hast damit deinem Ruf einen unabschätzbaren Schaden zugefügt. Ach du meine Güte! Vor ein paar Tagen sah alles noch so vielversprechend aus, und nun das.«
Als ihr Vater nach Hause kam, versuchte Celina noch immer, die Tante zu trösten und ihr die Zusammenhänge zu erklären, so gut es ging. Der Klang seiner Stimme ließ die beiden Frauen verstummen. Er wechselte ein paar Worte mit dem Butler und überließ ihm Hut, Stock und Handschuhe. Dann hörten sie, wie er einem anderen Mann ein Glas Sherry anbot und dieser dankend annahm. Eine Stimme von derart pompösem Klang konnte nur einem gehören.
»Der Graf«, flüsterte Tante Marie Rose. »Er wird seinen Antrag zurückziehen.«
»Möge die Heilige Jungfrau deine Worte hören«, murmelte Celina.
»Chere! Hüte deine Zunge. Wenn er dich jetzt fallen lässt, bist du ruiniert.«
»Ja, und frei. Für mich wäre das kein Weltuntergang.«
»Es wäre einfach schrecklich«, sagte die Tante ernst. »Alle werden vom Schlimmsten ausgehen. Niemand wird dich mehr kennen wollen. Deine Freundinnen dürfen dich nicht mehr besuchen, und eingeladen wirst du auch nicht mehr. Du könntest ebenso gut tot sein.«
Celina wusste, dass die Tante nicht übertrieb. Es würde furchtbar werden, wenn sich erst die ganze Stadt über sie den Mund zerriss und man sie schnitt. Dennoch spürte sie, wie Hoffnung in ihr aufkeimte.
Zehn Minuten, nachdem Mortimer den Sherry in das Arbeitszimmer gebracht hatte, kam er zu Celina und erklärte, ihre Anwesenheit werde gewünscht. Celina hatte schon damit gerechnet. Sie wischte sich mit einem feuchten Lappen übers Gesicht, um ihre geröteten Wangen ein wenig zu kühlen, und ordnete ihr Haar. Einen Augenblick lang überlegte sie, ob sie sich noch umziehen sollte, doch sie sah keinen Grund, sich extra für den Grafen herzurichten.
Sie klopfte an die Tür des Arbeitszimmers und trat auf die Aufforderung ihres Vaters hin ein. Er stand hinter seinem Schreibtisch und deutete auf den freien Stuhl neben dem Grafen. Dieser schickte sich auf die ihm eigene umständliche Art an, sich hochzustemmen, doch Celina bedeutete ihm mit einer Geste, sich die Mühe zu ersparen.
»Vielen Dank, dass du gekommen bist, Celina«, sagte ihr Vater und setzte sich. »Ich finde, du hast ein Recht darauf, selbst zu hören, was der Graf vorzubringen hat.«
Die Tante hatte sich nicht getäuscht. Der Graf wollte sie fallen lassen. Celina mühte sich redlich, sich die Erleichterung nicht anmerken zu lassen. »Ja, Papa?«
»Angeblich bist du gestern Abend auf einem Ball
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