Raecher des Herzens
Könnte jemand ihn zu diesen Unverschämtheiten angestiftet haben?«
»Das scheint mir ziemlich weit hergeholt.«
»Aber es wäre doch möglich.«
»Und welchen Sinn sollte es haben?«
»Vielleicht will jemand bewirken, dass du in seiner Schuld stehst.«
»Dann würde Monsieur de Silva hinter allem stecken.«
Suzette winkte ab. »Es stimmt, er kam dir zu Hilfe. Aber als Broyard dich zum Tanzen aufforderte, stand er zunächst ziemlich weit weg.«
Celina dachte nach. Rio hatte sich den ganzen Abend in ihrer Nähe aufgehalten. Wenn er die hässliche Szene mit Broyard nicht eingefädelt hatte, blieb nur einer übrig. »Der Graf hat doch gar keinen Grund, sich meiner Dankbarkeit zu versichern.«
»Vielleicht ahnt er, dass du ihn nicht heiraten willst, und fürchtet, dass du deinen Vater noch umstimmen könntest.«
Celina schüttelte den Kopf. »Aber er machte keinerlei Anstalten, mir zu Hilfe zu eilen und mich aus Broyards Fängen zu retten.«
»Das stimmt allerdings«, sagte Suzette. Dann zuckte sie die Achseln. »Vielleicht gibt es für alles eine viel einfachere Erklärung: Monsieur Broyard ist - oder war - ein sehr populärer Fechtmeister und hätte seine Anhängerschaft wohl gern noch vergrößert. Für ihn wäre das sicher Grund genug, eine Herausforderung zu provozieren.«
»Dazu hätte er aber zunächst wissen müssen, dass er über mich an den Silbernen Schatten herankommen kann.«
Suzette musterte Celina von der Seite. »Wäre das nicht möglich?«
»Woher sollte er die Zusammenhänge kennen? Monsieur de Silva und ich haben eine private Abmachung getroffen, und er verhält sich überaus diskret.«
»Diskret? Immerhin hat er auf einem öffentlichen Ball mit dir getanzt. Ich will lieber nicht wissen, was er als Nächstes tut, oder was dein Vater sagt, wenn er von dem Walzer erfährt.«
Celinas Wangen röteten sich. »Wie du weißt, waren wir beide maskiert, und der Tanz diente einem guten Zweck. Außerdem fand er ja erst nach der Herausforderung statt. Er war jedenfalls nicht der Grund dafür.«
»Stimmt.« Suzette nahm die Haube wieder in die Hand und schickte sich an, sie in Celinas Zimmer zu tragen. »Dann muss ich wohl annehmen, dass Monsieur Broyard dich eher zufällig als Opfer für seine Flegeleien auserkoren hat.«
Auch Celina fiel keine andere Möglichkeit ein, aber ganz plausibel erschien ihr diese Erklärung nicht.
Suzette blieb an der Tür stehen. »Das Duell von heute Morgen wird nicht ohne Folgen bleiben. Es wird bei jedem Lunch hier im Vieux C arre in allen Einzelheiten durchgehechelt werden.«
»Da hast du sicher Recht«, sagte Celina. Grimmig starrte sie in den Hof hinaus. Man würde von nichts anderem sprechen, und wenn sie auf dem Ball erkannt worden war, würde auch von ihr die Rede sein. Sie warf Suzette einen langen Blick zu. »Wolltest du nicht noch etwas erledigen?«
»Ich gehe schon, ich gehe«, sagte Suzette. »Beten wir, dass niemand auf die Idee kommt, ich würde mich auf der Passage de la Bourse herumdrücken, weil ich mich für einen gewissen Diener interessiere, obwohl in Wirklichkeit du eine Schwäche für seinen Herrn hast.«
Es dauerte eine ganze Weile, bis die Zofe zurückkehrte. Sie sah ein wenig zerzaust aus, und ihre Lippen waren gerötet, aber viel zu berichten hatte sie nicht. Broyards Degen hatte Rios Schulter durchbohrt. Der Arzt hatte sich gleich auf dem Kampfplatz um ihn gekümmert. Nach Hause gekommen war er noch nicht. Mehr konnte oder wollte Olivier nicht sagen.
Celina war wütend. Warum waren Männer nur so grausam? Rio oder Denys hätten sich wenigstens die Zeit nehmen können, ihr eine Nachricht zukommen zu lassen, bevor sie sich wieder ihren Vergnügungen widmeten. Nicht genug damit, dass sie sich als junge Frau aus gutem Hause Duelle nicht ansehen durfte, wurde ihr nun auch noch vorenthalten, wie dieses spezielle Duell verlaufen war. Ihr gestand man nur zu, zu Hause zu sitzen und sich Sorgen zu machen.
Kaum eine halbe Stunde später kam ein Botenjunge angerannt. Er gehörte zu der italienischen Familie, die auf dem Levee-Markt Blumen und Gemüse verkaufte. Der Knabe brachte eine Rose, an die mit einem blauen Seidenband ein Rosmarinzweig gebunden war.
Celinas Ärger verpuffte. Sie starrte auf die Blume in ihrer Hand. Rosmarin stand für die Erinnerung. Rio hatte also doch nicht vergessen, dass sie auf eine Nachricht wartete. Aber was sollte ihr die Blume sagen? Immerhin hatte Rio ihr nun schon drei Rosen geschenkt. Oder hatten solche Gaben
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