Raecher des Herzens
die einen Teig zum Gehen bringt. »Vielleicht verstehst du jetzt, warum ich von dem Grafen nichts wissen will.«
»Das verstand ich schon immer, wirklich, mein Kind. Eigentlich ist der Graf zu alt für dich. Außerdem stammt er aus einer ganz anderen Schicht als wir, und du wirst den größten Teil deines Lebens in einem fernen Land zubringen müssen. Das sind alles schwerwiegende Hinderungsgründe. Dennoch solltest du den Vorfall von eben nicht überbewerten. Männer sind nun einmal unbeherrschte Kreaturen und oft genug Sklaven ihrer Gelüste.«
»Willst du damit sagen, ich soll ihn trotz allem heiraten?«
»Vielleicht ist er gar nicht so übel, wenn man ihn erst näher kennt.« Sehr optimistisch blickte die Tante allerdings nicht drein. »Aber ich muss zugeben, es wundert mich schon, dass dein Vater keinen passenderen Mann für dich ausgesucht hat. Ein angenehmer junger Gentleman, der dich verehrt und stolz darauf ist, dich an seiner Seite zu haben, hätte mir besser gefallen.«
Celina zögerte einen Augenblick, dann sagte sie: »Meinst du, Vater hat ausreichende Nachforschungen über den Grafen angestellt?«
»Männer wie de Lerida tragen selten Empfehlungsschreiben mit sich herum, Liebes. Das müssen sie auch nicht. Viele Familien in New Orleans haben von früher her noch Verbindungen nach Spanien. Man kennt den Grafen und dessen Besitz. Man weiß, welche Stellung er bei Hofe hat. Eine meiner Freundinnen sprach erst vor ein paar Tagen beim Nähen für die Waisen davon.«
»Das glaube ich gern. Aber können wir uns auf diese Aussagen verlassen?«
Die Tante bedachte Celina mit einem mitleidigen Blick. »Ich fürchte, du greifst zu deiner Rettung nach Strohhalmen.«
»Vielleicht. Aber es kann nicht schaden, ein paar Erkundigungen einzuholen.«
»Wahrscheinlich hast du Recht. Möglicherweise kannst du dich besser mit der Verlobung abfinden, wenn du mehr über den Grafen weißt.«
»Hörst du dich ein wenig für mich um? Oh bitte, Tante Marie Rose!«
»Ich kann es versuchen, aber versprich dir nicht zu viel davon.«
Offenbar glaubte die Tante nicht, dass sie etwas erfahren würde, was den Grafen in Misskredit brachte. »Alles, was du herausfinden kannst, ist mir willkommen - selbst wenn du nur erfährst, dass er keine dunklen Geheimnisse hat.«
»Wenn es unbedingt sein muss«, sagte die Tante unglücklich. »Lass mir ein wenig Zeit, dann werden wir schon sehen, ob der Graf etwas zu verbergen hat.«
Celina wusste die Courage der Tante zu schätzen. Sie war bereit, etwas für sie zu tun, das der Vater nie und nimmer billigen würde. Aber Celina wollte ihre Zukunft nicht allein davon abhängig machen, was die Tante vielleicht in Erfahrung brachte.
Sie musste die Sache selbst in die Hand nehmen. Was zu tun war, wusste sie seit ihrem Besuch in Rio de Silvas Studio. Sie brauchte es nur noch in die Tat umzusetzen.
Dazu blieb ihr allerdings wenig Zeit. Bis zum nächsten Samstag war es gerade einmal eine Woche. Was sie auch tun würde - es musste bald geschehen.
Achtes Kapitel
Ich muss jetzt gehen.«
Rio stellte das Glas auf den Tisch und erhob sich. Schon seit einer Stunde wollte er die Runde verlassen. Nun war es endgültig Zeit aufzubrechen.
Nach dem Duell waren sie in der Nähe der Eichen von Allard in ein Gasthaus eingekehrt, hatten auf seinen Sieg angestoßen und gefrühstückt. Außerdem hatte der Arzt in einem Nebenzimmer Rios Wunde an der Schulter versorgt. Das Essen war nur schleppend aufgetragen worden, doch zu trinken stand immer genug auf dem Tisch. Auf diesem stapelten sich inzwischen leere Gläser und leere Teller. Es hatte keinen Anlass zu übertriebener Eile gegeben, doch nun hielt es Rio nicht länger in der Gaststube. Wenn Caid ihn begleiten wollte und Vallier ihn in der Familienkutsche in die Stadt fuhr, umso besser. Aber notfalls würde er auch allein nach New Orleans zurückfinden.
»Ich wäre auch so weit«, sagte Caid. Er trank aus und schob seinen Stuhl zurück.
»Ich auch.« Denys Vallier sah sich bereits nach Hut und Stock um.
Die Bewegungen des jungen Mannes wirkten etwas bemüht, doch Rio glaubte nicht, dass er allzu betrunken war. Einer der Zuschauer, der mit ihnen gefeiert hatte, schien nicht ganz so trinkfest zu sein. Er hob noch einmal das Glas und schaute mit verschwommenem Blick in die Runde. Mit schwerer Zunge sagte er: »Ein letzter Toast auf Ihren großen Sieg über Broyard.«
»Ein andermal, mein Freund«, antwortete Rio ein wenig barscher als beabsichtigt. »Ich
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