Raecher des Herzens
spürte einen Druck auf der Brust. Es war nicht auszuschließen, dass man ihn in der vergangenen Nacht gesehen hatte. »Geht es ihr nicht gut? Ist sie etwa krank?«
»Nein, nein. Ich mache mir nur Gedanken um ihre Zukunft.«
»Das ehrt Sie«, sagte Rio. Vallier presste die Lippen so fest aufeinander, dass sie blass wurden. »Aber was hat das mit mir zu tun?«
»Ich fürchte, Sie könnten meiner Schwester sehr schaden.«
»Ich weiß nicht, wovon Sie sprechen«, begann Rio.
»Bitte, Monsieur, lassen Sie uns ganz offen sprechen. Sie haben Celina bereits zweimal zum Gegenstand Ihrer Aufmerksamkeit gemacht und damit einiges Gerede verursacht. Das kann ich nicht hinnehmen. Der Name einer Tochter aus gutem Hause sollte in der Öffentlichkeit nur zweimal fallen: wenn sie heiratet und wenn man sie zu Grabe trägt. Alles andere ist nicht akzeptabel. Deshalb muss ich Sie fragen, welche Absichten Sie mit Ihrem Tun verfolgen.«
»Absichten?«, fragte Rio ironisch. »Ich weiß sehr wohl, dass es mir nicht zusteht, die Bekanntschaft zu vertiefen.«
»Aber wenn Sie so weitermachen, wenn Sie Celina weiterhin in Ihre Streitigkeiten mit anderen Leuten hineinziehen, werden Sie ihren Ruf ruinieren.«
»Als ich sie vor Broyard rettete, schienen Sie nichts dagegen zu haben.«
»Das stimmt«, sagte Denys. Dabei reckte er trotzig das Kinn. »Ich hätte allerdings darauf bestehen sollen, nicht nur Ihr Sekundant zu sein. Aber zu diesem Zeitpunkt ahnte ich noch nicht, wie man die Sache aufnehmen würde, wie man die Geschehnisse interpretieren könnte ...«
»Wie denn?«, fragte Rio, als der junge Mann verstummte.
»Man könnte fast glauben, es gäbe eine heimliche Verbindung zwischen Ihnen und Celina. Der Mann, der um ihre Hand angehalten hat, benutzt diesen vagen Verdacht für seine Zwecke. Er drängt darauf, die Hochzeit schon Ende dieser Woche abzuhalten.«
Rio versuchte, sich nicht anmerken zu lassen, wie sehr ihn diese Nachricht durcheinander brachte. Er verschränkte die Arme vor der Brust und wartete darauf, dass Denys ihm sagte, Celina wolle den Grafen gar nicht heiraten. Er durfte sich nicht durch sein Wissen um diese Tatsache verraten. »Dann hat Ihre Schwester ja keinen Skandal mehr zu fürchten. Bitte übermitteln Sie ihr meine Glückwünsche.«
»Ich weiß nicht, ob das angebracht wäre.«
»Was wollen Sie damit sagen?«
»Ich habe gestern mit meinem Vater zu Abend gegessen. Er und der Graf haben viel Zeit miteinander verbracht. Bei Obst und Käse erzählte Vater mir schließlich von einem Vorschlag des Grafen. Es geht um die Zusammenarbeit mit dem mexikanischen Gesandten, der sich derzeit in der Stadt aufhält. Inzwischen weiß ich ein wenig mehr darüber.«
Rio horchte auf. »Was darf man sich unter dieser Art von Zusammenarbeit vorstellen?«
»Der Graf meint, mein Vater habe als angesehener Bürger dieser Stadt und als Mann mit weit verzweigten Familienverbindungen Zugang zu den einflussreichsten Kreisen von New Orleans. Der Graf mag sich in denselben Kreisen bewegen, hat aber nicht dieselben, über
Jahre gewachsenen Beziehungen. Papa hingegen ist sehr wohlgelitten und wird allseits geschätzt und geachtet.«
Offenbar fiel es Denys schwer, mit einem Mann, den er kaum kannte, über seinen Vater zu sprechen. Für einen ergebenen Sohn gehörte sich das nicht anders. Doch Rio konnte darauf keine Rücksicht nehmen. »Dem Grafen ist die Meinung der Freunde und Bekannten Ihres Vaters wohl sehr wichtig?«
»Ja, sehr.« Denys lächelte dankbar. »Er hat angeboten, das Geld, das er für deren Zustimmung zu den mexikanischen Plänen erhält, mit Vater zu teilen.«
Das hieß, der Graf wurde dafür bezahlt, für die mexikanischen Interessen zu werben. Rio fand das äußerst interessant. »Es geht wohl vor allem um die Gebiete westlich des Sabine Rivers.«
»Die erkleckliche Summe, die dem Grafen versprochen wurde, deutet daraufhin.«
Rio wunderte das alles nicht. Mit kleinen Fischen gab sich der Graf nun einmal nicht ab. Rio bemühte sich um einen beiläufigen Ton. »Das Treiben des Grafen mag verwerflich sein, aber ein Verbrechen ist es nicht.«
»Mag sein. Aber es läuft den Interessen der Vereinigten Staaten zuwider. Auch für Louisiana ist es sicher nicht gut, wenn Mexiko die texanische Republik annektiert und mit seiner Armee direkt an unseren Grenzen Stellung bezieht.«
»General Santa Ana würde es nie wagen, auf das Territorium der Vereinigten Staaten vorzudringen.«
»Deshalb muss Texas auch so schnell wie
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