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Rächerin der Engel

Rächerin der Engel

Titel: Rächerin der Engel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mary Stanton
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»Und ich darf meinen Posten hier nicht verlassen. Würde es Ihnen was ausmachen, allein nach oben zu gehen?« Er warf einen Blick auf Sascha und lächelte. »Da Sie diesen prächtigen Burschen dabei haben, wird Sie ohnehin niemand belästigen.«
    »Das macht mir überhaupt nichts aus. Danke.« Bree nahm den kunstvoll gearbeiteten Messingschlüssel an sich – offenbar hatte die Historical Society darauf bestanden, dass die altmodischen Yale-Schlösser beibehalten wurden – und ging zu den Fahrstühlen hinüber, neben denen eine Hinweistafel hing. Sie sah sich die Namen an, um eine Vorstellung davon zu bekommen, wer ihre Nachbarn sein würden. Ein oder zwei Architekten. Ein paar Ärzte. Einige Verwaltungsbüros. Und Rechtsanwälte, Unmengen von Rechtsanwälten, darunter auch eine Zweigstelle von Stubblefield, Marwick. Bree murmelte etwas vor sich hin, das sich wie Pfui Teufel anhörte.
    »Alles in Ordnung?«, rief der Wachmann.
    »Hab grad einen Namen entdeckt, den ich kenne. Payton McAllister.«
    »Oh, der. Ja«, erwiderte der Wachmann nicht sonderlich begeistert. »Der kommt an zwei Tagen in der Woche aus seinem großen noblen Büro drüben in der Abercorn Street herüber. Kennen Sie ihn?«
    Leider , dachte Bree. Und Sie finden ihn offenbar auch nicht sonderlich sympathisch. Der Wachmann war zweifellos ein Mensch mit Geschmack und großem Urteilsvermögen, wenn er Payton McAllister nicht mochte. Inzwischen war sie darüber hinweggekommen, dass ihr diese gut aussehende Ratte mit den Moralvorstellungen eines Dschingis Khan den Laufpass gegeben hatte. »Nur vom Sehen. Und am liebsten sehe ich ihn von hinten«, erwiderte Bree. »Ah, da ist ja mein Fahrstuhl. Danke!«
    Nachdem sich die Fahrstuhltür zischend geöffnet hatte, spähte Bree vorsichtig in die Kabine. Es hätte ja sein können, dass Payton die Ratte länger gearbeitet und eben jetzt beschlossen hatte, nach Hause zu gehen. Das hätte ihr gerade noch gefehlt!
    »Niemand da«, stellte Bree fest. »Gut.« Sie sah Sascha an und machte eine ausholende Geste. »Nach dir.«
    Im fünften Stock war bis auf die Nachtbeleuchtung im Gang alles dunkel. Nr. 616 lag ungefähr in der Mitte des Ganges. Zu Lebzeiten ihres Onkels Franklin war Bree oft in seinem Büro gewesen, nach seinem Tod jedoch nur einmal. Auch damals war sie einem Mörder auf der Spur gewesen. Überall roch es nach frischer Farbe und Holzpolitur. Bree trug Turnschuhe, und ihre leisen Schritte wurden von der Stille ringsum völlig verschluckt. Die Bürotüren bestanden alle aus Mahagoni, in das oben eine Scheibe aus geriffeltem Glas eingesetzt war. Auf dem Glas standen in schwarzer Frakturschrift die Namen der Firmen: J. P. WRIGHT, GERICHTSSTENOGRAPH; ALLAN QUANTICO, INC.
    Auf dem Glas der Tür von Nr. 616 stand gar nichts.
    Bree steckte den Schlüssel ins Schloss. In diesem Augenblick stieß Sascha ein dumpfes Knurren aus. Er schob sich zwischen Bree und die Tür.
    Sie trat zurück. »Was ist los, Sascha?«
    Ein Fremder. Ein Fremder.
    »Irgendetwas Schlimmes?«, fragte Bree. Sie war nie ein Fan jener Schauerromane gewesen, in denen die ahnungslose Heldin in Nachthemd und ohne Handy in den Keller hinuntergeht.
    Ein Fremder.
    Bree wartete kurz. Sie spähte nach links und rechts den Gang hinunter, der nach wie vor menschenleer war. Auch in den dunklen Winkeln schien nichts und niemand zu lauern. Und von der Straße her waren nur beruhigende Geräusche zu hören: Menschen, die sich unterhielten; Autos, die die Bay Street entlangfuhren; in der Ferne ein oder zwei Sirenen. Plötzlich kam ihr zu Bewusstsein, dass sie ihr Handy nicht dabei hatte, weil ja der Akku leer war. Andererseits hatte sie einen Trainingsanzug und Turnschuhe an, so dass sie notfalls davonrennen konnte, als sei der Teufel hinter ihr her.
    »Okay?«, sagte sie zu ihrem Hund.
    Das wissen wir nicht.
    Bree schob die Tür auf und trat ein.
    Schwärzeste Finsternis umgab sie.
    Und wo auch immer sie sich befinden mochte, sie spürte nichts als unendliche Leere um sich herum. Über ihr wölbte sich der Weltraum. Der Boden war feucht und gab unter ihren Füßen leicht nach. Plötzlich bemerkte sie weit hinten am Horizont einen schwachen weißen Fleck.
    Der auf sie zukam.
    Nur Saschas Hecheln war in der unheimlichen Stille zu hören. Er schien verwirrt. Unsicher. Bree warf einen Blick über die Schulter.
    Auch hinter ihr befand sich nichts als schwärzeste Finsternis.
    Der weiße Fleck verlangsamte seine Geschwindigkeit, drehte sich wie ein Kreisel

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