Rächerin der Engel
reduzieren. Im Interesse aller.«
Erschaudernd dachte Bree an Beazley und Caldecott und die Veränderungen, die in ihrem eigenen Körper vor sich gingen. Rons Augen waren sehr blau, sein Blick distanziert. Bree las aber auch Mitleid in seinen Augen, und das beunruhigte sie am meisten.
Nachdem sie sich eine Zeitlang schweigend angesehen hatten, drehte Ron sich um und führte Bree ins Haus.
Dort erwartete sie eine Menschenmenge, die noch größer zu sein schien als am Tag zuvor. Anthony Haddad stand mit einem Klemmbrett in der Hand da und schrieb etwas. Die anderen Anwesenden, alle ungefähr in Brees Alter, plauderten miteinander, tratschten, lasen Skripte, tranken Kaffee oder machten Streckübungen. Jedermann schien im Trainingsanzug gekommen zu sein. Von Tully war nirgendwo etwas zu sehen. Vor dem Flügel hatte man eine freie Fläche geschaffen, um die herum Klappstühle aufgestellt worden waren. Bree bekam regelrechtes Herzklopfen, als sie Ciaran Fordham erblickte, der mit leerem Blick an einem der hohen Fenster lehnte, den Rücken der Straße zugekehrt. Neben ihm stand Barrie Fordham, die einen schwarzen Kapuzenpullover und einen langen Baumwollrock trug. Ihr weiches braunes Haar war zu einem Knoten hochgebunden, aus dem sich einige Strähnen gelöst hatten. Bree hatte in der Schule nicht viele Gedichte gelesen. Trotzdem löste etwas in der Art und Weise, wie die Fordhams dastanden, eine Erinnerung in ihr aus. Barrie wirkte einsam. Wie die Dame von Shalott. Sir Ciaran sah … verloren aus.
Ein nur allzu vertrauter, schriller Schrei ließ Bree zusammenfahren.
»Gott sei Dank!«, sagte Antonia. »Ich hab schon befürchtet, du kommst nicht mehr!« Ihre Schwester drängte sich durch die Menge. Sie wirkte äußerst aufgeregt und trug ein Trikot, in dem sie hinreißend aussah. »Wo ist denn Ron? Er hatte mir versprochen, auch zu kommen. Ah, da ist er ja. Hält sich bescheiden im Hintergrund. Ist Sascha bei ihm? Gut. Du weißt ja, Sir Ciaran ist allergisch gegen Hunde.« Sie winkte Ron zu, dann bugsierte sie Bree in einen Sessel, beugte sich vor und blickte ihrer Schwester ins Gesicht. »Warum runzelst du denn so die Stirn? Ist was? Seh ich gut aus? Oder hätte ich was anderes anziehen sollen?«
»Du siehst toll aus. Deinetwegen habe ich nicht die Stirn gerunzelt.« Sie warf einen Blick auf die Fordhams, allerdings so diskret, wie sie nur konnte. »Die wirken beide nicht sonderlich glücklich.«
Antonia verdrehte die Augen. »Tja, also ich bin ja schon eine Weile hier und habe mich mit mehreren Leuten unterhalten. Die sind alle ganz erstaunt, dass Ciaran das Engagement angenommen hat, obwohl doch immerhin Tony Regie führt. Es ist furchtbar, Bree. Jeder glaubt, dass Tony vielleicht was gegen ihn in der Hand hat. Ihn irgendwie erpresst, weißt du.«
»Tony? Nicht Tully?«
»Pssst! Sprich ein bisschen leiser. Natürlich Tony. Tully hat doch keinen blassen Dunst von Shakespeare. Die ist doch nur aus Prestigegründen dabei. Für die ganze Planung ist Tony verantwortlich, nicht sie.«
»Was du nicht sagst«, erwiderte Bree. Eigentlich war sie nicht sonderlich überrascht. Es sah Tully ähnlich, das Ausschreiben von Schecks mit schöpferischer Arbeit gleichzusetzen. Dabei schrieb Tully ja noch nicht einmal Schecks aus, sondern finanzierte das Ganze lediglich mit dem Geld anderer Leute. Wenn man es recht bedachte, war das alles eine sagenhafte Frechheit, die aber etwas derart Grandioses an sich hatte, dass Bree sie irgendwie bewunderte.
Antonia hockte sich auf die Armlehne des Sessels. »Und weißt du was? Ich habe gehört, dass Russell – senior, nicht Fig – die ganze Geschichte mit den Players gehasst hat. Und was meinst du, welche Personen er am meisten gehasst hat?« Sie nickte in Richtung der Fordhams. »Konnte sie beide nicht ausstehen. Hielt sie für Schaumschläger. Ist es nicht erstaunlich, was manche Leute so denken? Ich meine, der Mann ist schließlich der größte Schauspieler der Welt!«
»Moment mal.« Bree setzte sich kerzengerade hin. »Russell O’Rourke hat Sir Ciaran gehasst?«
»Pssst!«, zischte Antonia so ungestüm, dass ihr ein bisschen Speichel aus dem Mund spritzte. Bree wischte sich die Wange ab. »Ich hab dir doch gesagt, du sollst leiser sprechen. Ja, das hat er. Zumindest munkelt man es. Und jetzt, wo O’Rourke senior aus dem Weg ist … hat Tony die nötigen Geldmittel und auch die Fordhams.«
»Meine Güte.« Bree besaß einen logischen Verstand und mochte solche Breitseiten
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