Rätsel des Nordens (Thenasia) (German Edition)
auf, der zu dieser Zeit noch über
anderen Dokumenten in seinem Gemach brütete.
„Kanzler! Seid ihr da?“, rief
Ergon, während er gegen die Tür hämmerte, die sich mit einem Ruck auftat.
„Bei meiner Robe! Leutnant,
glaubt Ihr, dass ich durch das Alter mein Gehör verloren habe? Man könnte
meinen, dass Euch ein Orkheer hinterherjagen würde! Oder habt Ihr in der
Zwischenzeit Eure Manieren an die der Grünhäute angepasst?“, polterte Thormir,
der durch die lauten Geräusche aus seinen Gedanken gerissen worden war. Er hasste
es, unterbrochen zu werden. Und wenn er – wie es soeben geschehen war – einen
Einfall komplett vergessen hatte, dann wurde er ungemütlich.
„Verzeiht bitte!“, bat der
Soldat, der im Angesicht der herrischen Erscheinung des Kanzlers plötzlich sehr
leise geworden war. „Allerdings komme ich zu Euch wegen dringender
Neuigkeiten.“
Die Augen des Magiers weiteten
sich sofort und er schloss die Tür hinter ihnen. „Dringende Neuigkeiten? Ihr
habt mir also nicht alles über die Brieftauben zukommen lassen, das Ihr wisst?“,
fragte der Magier leicht misstrauisch.
Der Leutnant nickte. Seine
leichte Lederrüstung und sein dunkelgrüner Mantel waren in der Wildnis arg in
Mitleidenschaft gezogen worden. Die Stiefel waren schlammverschmiert und über
seinem rechten Auge prangten einige Kratzer, die nicht älter als fünf Tage sein
konnten. Gefragt nach dem König antwortete Thormir, dass dieser sich auf einer
Bärenjagd im westlichen Wald befinden würde. Die Tiere hätten in der letzten
Nacht Schafe gerissen.
„Kanzler!“, wiederholte Ergon
noch immer nach Luft ringend. „Ich bringe sowohl Kunde, als auch Überraschung.
Was wünscht Ihr zuerst zu hören?“
„Zuerst die Kunde, dann die
Überraschung. Ich will den Tag nicht vor dem Abend loben“, antwortete Thormir.
„Wie Ihr wünscht, Herr.“
Beide Männer setzten sich und
verweilten mit strengen Mienen. Sie befanden sich im vorderen Teil der
Kanzlerräume. Gewaltige Regale standen an den Wänden und enthielten ganz
unterschiedliche Bücher, die von ihrem Besitzer strengstens gehütet wurden.
Durch zwei große Fenster fielen die jungfräulichen Sonnenstrahlen dieses
Morgens in das Zimmer, als der Heimkehrer erneut zu reden begann.
„Zunächst möchte ich Euch
berichten, dass der Norden im Algemeinen relativ sicher ist. Während unserer
gesamten Abwesenheit gab es nur wenige Probleme. Zwar sind wir immer wieder auf
einzelne Orks gestoßen, dennoch haben wir kein Heer oder Ähnliches vorgefunden.
Ihre Spuren sind im Boden nicht häufiger als die des Wildes zu finden. Wir
konnten auch niemals irgendwelche Hinweise auf größere Zusammenrottungen
finden.“
Thormir atmete angesichts dieser
Nachrichten auf.
„Seid nicht zu voreilig,
Kanzler“, sagte Ergon mit düsterer Stimme. „Die Lage ist äußerst instabil. Man
hat uns die ganze Zeit lang beobachtet, soviel ist gewiss. Auch glauben wir,
dass man sich vor uns versteckt gehalten hat, weil die Grünhäute ein Großaufgebot
unsererseits erwartet haben. Irgendetwas tüfteln die aus. Ich traue der Ruhe
nicht. Es ist wie das Luftholen vor dem Sprung. Alles scheint friedlich, doch nur,
solange man nicht hinter die Kulissen sieht. Wir haben auch einige, wenn auch
wenige große Spuren gefunden. Keine, die ein Ork hinterlassen würde. Der Fuß,
der solche Löcher in den Boden stampfte, war mindestens viermal so groß wie der
eines Menschen und - “
„Trolle“, murmelte der Kanzler
plötzlich.
„Was? Trolle?“, fragte der
Leutnant ungläubig.
„Ja, Trolle“, antwortete Thormir
sichtlich überrascht, dass er einen seiner Gedanken laut ausgesprochen hatte.
„Ich habe bereits so einiges über sie gelesen. Ich finde es, nennen wir es
befremdlich, dass es welche von ihnen auf Pollesch geben soll. Die leben
gewöhnlich in den Bergen und großen Wäldern und beides haben wir hier
keineswegs.“
„Ein Gelehrter ist er in der
Tat“, dachte Ergon, der Thormir mit großen Augen ansah. Ihre Blicke kreuzten
sich.
„Fahrt bitte fort, Kommandant!“,
bat der Magier.
„In Ordnung! Auch wenn ich nicht
weiß, woher Ihr von diesen Ungetümen wisst, so will ich Euch alles Weitere
erzählen.“
Und so berichtete Ergon von
diversen Scharmützeln und den sieben Gefallenen:
„Unsere Verluste sind insgesamt
gering im Vergleich zu dem, was die Orks an Kriegern verloren haben. Wir haben
mindestens vierzig von ihnen erschlagen. Zwei unserer besten Männer, Seregon
und Feron, haben wir
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