Rätsel des Nordens (Thenasia) (German Edition)
Alltag
bestehend aus Haus, Hof und Familie gerissen ohne sicher sein zu können, was
aus den Zurückgelassenen werden würde, wenn man selbst nicht zurückkehrte.
Zügig waren auch die einfachen
Soldaten auf die drei Abteilungen aufgeteilt worden, als nachfolgend
einhundertfünfzig Reiter eintrafen. In ihrer Mehrheit waren es Edelmänner, die
gemeinsam mit ihren Söhnen in den Krieg zogen. Lediglich sie konnten allein den
Unterhalt der Pferde stemmen. Prächtige Wappen bildeten auf ihren Schilden die
Häuser der Edelleute ab, und schmückende Helme brachten den erhöhten Stand zum
Ausdruck. Sie trugen die besten Waffen und fungierten in Kriegszeiten als
Offiziere, um die Befehle der Heeresleitung an die einzelnen Kompanien
weiterzugeben. Jene Reiter, die den Edelmännern angehörten, trafen sich bei
Heerführer Bhelm ein, während die fünfzig königlichen Kavalleristen unter
Ergons Kommando gestellt wurden und somit der Nachhut folgten.
Zu guter Letzt, als alles
marschbereit war, traf Kanzler Thormir ein. Seinen schwarzen Mantel hatte er in
seinem Gemach gelassen. Stattdessen hatte er sich in eine weit geöffnete
dunkelblaue Robe gekleidet, unter der ein prächtiger Panzer hervorschimmerte.
An der linken Seite hing sein Schwert, eine kalte Klinge aus bestem Stahl. Ihm
folgten fünfundzwanzig Männer und Frauen, die Jünger und Kampfmagier des
königlichen Ordens. Sie alle trugen die typischen nachtblauen Mäntel mit
Kapuzen, die bis ins Gesicht reichten. Noch nie zuvor war der Orden in voller
Stärke in die öffentliche Erscheinung getreten, doch ihre langen Roben
leuchteten hell im Licht der Morgensonne. An der Spitze des Zuges marschierte
Erthrarca, die stellvertretende Kommandantin des Ordens. In ihren Händen hielt
sie eine gewaltige Fahne, auf deren ebenfalls nachtblauem Grund eine goldene
Krone aufgestickt war, die über zwei silbernen gekreuzten Schwertern thronte.
Von allen Versammelten waren die Ordensjünger am schönsten anzusehen, denn ihre
Gewänder waren aus hochwertigem Stoff gewebt worden, der selbst den reichsten
Edelleuten unbekannt war.
Nahezu schweigend stand die
Stadtbevölkerung um das Heer herum und nahm Abschied von ihren Angehörigen,
indem man nach alter Tradition Blumen übergab und geschnittenes Stroh auf den
Boden streute. Niemand wechselte viele Worte an diesem Morgen, an dem der Wind
schwach aus Südosten blies. Der König ritt auf seinem braunen Rosse zum Kanzler
und sprach kurz mit diesem. Danach erhob er die rechte Hand und ließ sie fallen
– das klare Zeichen für den endgültigen Abmarsch. Hörner ertönten und erfüllten
die Region um Eisenhand mit einem gewaltigen Klang. Langsam setzte sich der Zug
mit Bhelms Vorhut an der Spitze in Bewegung. Ihr aller Ziel war der Norden, um
der ungewissen Gefahr ins Auge zu sehen. Theodus verblieb als einziges Mitglied
des königlichen Rats in der Stadt, um die Verteidigung zu organisieren, sollte
das Heer in den Hügellanden eine Niederlage erleiden. Wie lange würden die
Männer wohl ausbleiben? Selbst der Wind, der über die Köpfe der Menschen
hinwegsäuselte, vermochte darauf keine Antwort zu bringen.
Hoch oben neben der Königshalle
stand die Königin mit ihrem Sohn Regnir und legte ihre Hände auf seine
Schultern. Nicht nur den Namen hatte der Knabe vom Vater, nein, auch sein
Äußeres glich ihm schon im jungen Alter aufs Schärfste. „Papa kommt bald
wieder“, flüsterte die Königin dem Jungen ins Ohr und blickte noch lange
gemeinsam mit ihm den Soldaten hinterher, bis diese aus der Entfernung lediglich
noch ein kleines Häuflein waren. Die Stadt war leer geworden.
Im Heer selbst besserte sich die
Stimmung sehr schnell. Die Sonne schien freundlich vom Himmel auf die Häupter
der Menschen herab und ließ die Furcht vor einer Schlacht wie Schnee im
Frühling dahin schmelzen. Der Kanzler und der König ritten Seite an Seite und
unterhielten sich über dies und jenes, um der Stille, die bisher so drückend auf
ihnen gelegen hatte, Luft zu machen.
„Ergon hat in der Tat
Beeindruckendes geleistet. Nach seinen Aussagen sollte es etwa zwei Wochen
dauern, bis wir das Hügelland erreicht haben. Der Weg wird beschwerlich, aber
das wussten wir ja bereits vorher.“
„Ja, Thormir. Das, was der
Leutnant nach seiner Rückkehr vorgelegt hatte, war an Genauigkeit wohl kaum zu
übertreffen. Ich wüsste zu gerne, was die Orks über uns wissen.“
„Allzu viel kann es nicht sein.
Ich vertraue dem Wort Ergons, dass alle Späher aufgehalten
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