Rätsel des Nordens (Thenasia) (German Edition)
wie lange ich noch an deiner
Seite sitzen werde. Keine Angst! Ich habe nicht vor, so bald abzutreten“, lächelte
der alte Magier Regnir zu, nachdem dieser ihn verwundert angesehen hatte. „Wir
müssen jetzt einfach unseren eigenen Entscheidungen vertrauen. Zweifeln wir an
ihnen, dann wird dies Unruhe und Unsicherheit bringen und niemandem ist
geholfen. Eine Fehlbesetzung ist Bhelm keineswegs.“ Der Kanzler schwieg kurz
und fügte hinzu: „Solange er sich selbst beherrschen kann.“
„Wie lange wird er sich wohl
unter Kontrolle haben?“
„Das hängt ganz davon ab, was
geschehen wird. Ich kenne die Zukunft nicht. Dafür bin ich zu einfältig. Ich
bin mir nicht einmal sicher, ob man sie überhaupt vorhersehen kann“, sagte
Thormir mehr zu sich selbst, als zu Regnir.
„Aber wenn nicht du, wer dann?“,
fragte der König halb scherzend, doch der Magier sah ihn ernst an.
„Ich bin ein kleines Licht, mein
Junge. So, wie wir alle auf unserer Insel, die wir Pollesch nennen, kleine
Lichter sind.“ Der Kanzler seufzte nachdenklich. „Wir und die Orks sind nicht
die Einzigen, die auf zwei Beinen gehen, obwohl genau genommen die Grünhäute
sich ganz gern zwischendurch auch kriechend fortbewegen. Der gefangene Bursche
im Kerker hat mir einst erzählt, dass es noch eine andere Art von ihnen gibt,
weit entfernt von hier. Es ist eine Insel im Norden, etwa von der Größe
Polleschs, die komplett mit Schnee und Eis bedeckt ist. Die Elfen, ein weiteres
Volk, von denen wir nicht viel wissen, nennen dieses Eiland ‚Tibes‘. Die Insel
der Eiswüsten.“ Thormir hielt erneut inne.
„Stammten die Schriftzeichen von
denen? Von den Elfen?“, fragte Regnir, dessen Interesse nun ganz den Worten des
Kanzlers galt.
„Schriftzeichen?“, fragte der
Magier verwundert.
„Ja. Einige deiner Dokumente sind
nicht in unserer Sprache verfasst worden. Woher stammen die?“
Thormir blickte überrascht drein
und hob die linke Augenbraue.
„Bemerkenswert, dass du von ihnen
weißt. Oder lass mich raten: Ich habe sie aus Versehen liegen lassen, richtig?
Dachte ich es mir. Ja. Es war eine elfische Schrift, die selbst ich nicht in
all ihren Facetten kenne. Vor langer Zeit bin ich einst einigen von ihnen
begegnet, aber das tut vorerst nichts zur Sache. Nur so viel möchte ich sagen:
Von ihnen kenne ich die drei Eigenschaften des Ambaluskrauts. Irgendwo auf dem
Festland, das zwischen uns und Tibes liegt, wandert dieses Völkchen umher. Auch
sie haben von Zeit zu Zeit Probleme mit den Orks. Es gibt weitaus mehr
Konflikte mit den Trollen, die es dort in größerer Zahl als bei uns gibt. Numos
nennen sie das große Festland in ihrer Sprache.“
„Vielleicht hätten sie uns ja
helfen können“, murmelte Regnir vor sich hin.
„Helfen?“ Thormir gluckste.
„Nein, die haben selbst ihre Nöte, als dass sie sich um uns sorgen würden. Das
letzte, was ich gehört hatte, war, dass ihr Volk sich im Inneren in drei Teile
gespalten hätte, was bedeuten würde, dass sie mittlerweile auch so etwas wie Edelmänner
haben“, sagte der Kanzler steif und müde lächelnd.
Der König staunte nicht schlecht,
als er all diese Nachrichten aufnahm. Bisher hatte er wie alle anderen auch
geglaubt, dass die Menschen das einzige Volk wären, das sich mit den
Stammesorks herumschlagen musste. Diese Neuigkeiten waren in der Tat höchst
interessant. Regnir wünschte sich nun, dass er gemeinsam mit dem Alten
daheimsitzen könne, um mehr über die Fremden zu erfahren. Ein gemütliches
Beisammensein in geselliger Runde am prasselnden Feuer bei Wein und Käse wäre
etwas sehr Feines gewesen.
„Ich werde dir später einmal mehr
darüber erzählen“, sprach der Kanzler, als wenn er des Königs Gedanken gelesen
hatte. Schweigend setzten sie ihren Weg fort, jeder von ihnen in eigene
Grübeleien versunken. Nach etwa drei weiteren Meilen fragte Regnir allerdings
plötzlich:
„Thormir, sag: Bist du eigentlich
noch immer enttäuscht, dass ich nicht deinen Weg eingeschlagen habe?“
„Was? Ach, du meinst die Sache
mit der Magie … Nein. Natürlich nicht. Nicht jeder ist für jede Sache geeignet.
So ist die Natur. So ist das Leben. Ich zum Beispiel könnte es mir nicht
vorstellen, die Aufgabe von Theodus zu übernehmen. Zu trocken sind all die
Zahlen, mit denen er hantiert. Nennen wir unsere Funktion in dieser Welt eine
Berufung und belassen es dabei.“
Viele dieser Gespräche konnten
sie während der Marschzeiten nicht mehr führen, denn schon bald trennten
Weitere Kostenlose Bücher