Rätsel des Nordens (Thenasia) (German Edition)
Ebenen drangen
Schritte von mehreren Hundert Stiefeln nach unten. „Alog agash rabaraz!“,
schrie Karash-nag. Die Feinde kommen!
Tatsächlich war es den Menschen
unter großer Mithilfe aller Hände gelungen, das Geröll und Holz aus dem Eingang
zu entfernen. Sie hatten den einzigen, für sie gangbaren Weg freigelegt. Bevor Regnir
mit etwa sechshundert Soldaten ins Erdreich hinabgestiegen war, hatte er eine
letzte Rede gehalten, und dabei erneut den Mut und den Zusammenhalt der Seinen
beschworen. Ein fahles Licht fiel von außen in das Dunkel und ließ die Menschen
schemenhafte Umrisse erkennen.
Große Felsformationen schienen
sich im Inneren zu befinden, deren Wände vor langer Zeit mit stumpfen
Werkzeugen behauen worden waren. Der breite Hauptweg führte direkt in untere
Ebenen und war an vielen Stellen mit einer glitschig-schleimigen Substanz
bedeckt. Im Innenbereich des Eingangs war man zunächst auf keinen Widerstand
gestoßen. Die Orks zogen sich einfach in tiefere Regionen zurück. Erst nachdem
das Heer der Menschen weiter in die Festung unter Tage vorgedrungen war,
krochen vereinzelt Gegner aus den Seitenstollen, die mit einer unheimlichen Schwärze
erfüllt waren. Stück für Stück durchkämmten Soldaten des Königs die Nischen und
Gänge und wurden so manches Mal Opfer eines kleineren Hinterhalts. Nach zwei
Ebenen kam das Heer für einige Minuten lang ins Stocken.
„Verdammte Orks!“, fluchte Regnir.
„Wir sind bisher etwa fünfzig von ihnen begegnet und unsere eigenen Verluste
sind extrem hoch. Ein Mensch, eine Grünhaut – das Verhältnis darf nicht
bestehen bleiben!“
„Ja, mein Herr“, sagte Ergon
nachdenklich. Allerdings hatte er keinen Einfall, wie man den Gegner auf eine
bessere Weise stellen könnte. „Sie sind einfach zu wendig und mit den Höhlen
vertraut.“
„Ich weiß!“, entgegnete der König
leicht entnervt. „Haben wir nicht mehr Fackeln?“
„Wir haben noch Zahlreiche!“,
rief eine Stimme zwischen den Soldaten hervor. „Unsere Vorräte sind jedoch so
eingeteilt, dass wir die gleiche Zahl für den Hin- und Rückweg zur Verfügung
haben.“
„Was nutzen sie uns, wenn die
Orks uns im Halbduster die Kehle durchschneiden? Sorgt für mehr Licht! Rasch!“,
befahl Regnir, als in diesem Moment aus unbekannter Richtung mehrere Pfeile
heranschwirrten und unschädlich auf den Boden fielen.
„Fackeln!“, schrie der König.
„Schilde hoch! Abwehrstellung! Schützen – sucht den Feind und vernichtet ihn!
Los!“
Panik breitete sich aus, allerdings
konnten schon nach wenigen Minuten die gegnerischen Bögen ausgemacht werden.
Anschließend kehrte wieder Ruhe ein und sie marschierten tiefer in die Höhle
hinein.
„Folgt mir!“, befahl Regnir.
„Kümmert euch nicht um die Stimmen der Orks. Ignoriert deren Geschrei.
Vorwärts!“
Weiter und weiter drangen die
Menschen vor und mit jedem Schritt wurde die Luft stickiger. Spärliches Licht
spendeten die Fackeln, doch war es genug, um fortan nicht mehr in Hinterhalte
zu geraten. Und so stieß das Heer bis in die unteren Tiefen vor, wo sich
plötzlich ein großer Raum auftat, dessen Decke und Boden mindestens sechzig Fuß
voneinander entfernt waren, und dessen wahres Ausmaß auf dem ersten Blick nicht
abzuschätzen war. Stille umgab sie auf einmal und Regnir ließ erneut anhalten.
Er misstraute dieser trügerischen Ruhe.
„Wo sind wir?“, fragte Ergon den
König flüsternd. Der vermochte keine Antwort zu geben.
„Vermutlich in einer Art
Haupthalle, wenngleich sie riesig ist“, antwortete Regnir. Er sah sich
genauestens um. Als sich seine Augen an die veränderten Gegebenheiten angepasst
hatten, konnte er sich langsam ein Bild machen: Der Raum glich einer Höhle in
der Höhle. Mindestens eintausend Fuß lang und dreihundert Fuß breit. Der König
staunte nur. Ein nicht geringer Teil Eisenhands würde in diesem Stück der
unterirdischen Festung Platz finden. Am jeweiligen Ende der Halle liefen
senkrecht glatt gehauene Wände in die Höhe.
„Wahnsinn. Unglaublich!“,
flüsterte Ergon. Der Leutnant stand noch immer direkt neben Regnir. „Ich fühle,
dass wir an diesem Ort nicht verweilen sollten. Lasst uns weitergehen.“
Ergon wurde unterbrochen. Mit
einem Male blickten Hunderte trübe Nachtaugen aus der Dunkelheit auf die
Menschen. Dem Leutnant stockte der Atem, doch der König reagierte schnell:
„Orks! Formieren! Schilde nach
außen! Lanzen nach vorn! Formieren!“, rief er seinen Leuten zu, die aufgrund
ihren hohen
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