Rätsel des Nordens (Thenasia) (German Edition)
dauern,
bis wir das alles beiseitegeschafft haben?“, fragte Regnir Ergon, der soeben
herbeigeeilt war.
„Nun, ich würde sagen: Schauen
wir es uns doch aus nächster Nähe an“, meinte der Leutnant leicht vergnügt. Ein
Großteil des Heeres wurde nun angehalten, für kurze Zeit zu rasten, aber
kampffähig zu bleiben, während der König sich mit etwa fünfzig Soldaten
vorsichtig vortastete. Mit jedem weiteren Schritt mussten die Menschen mit dem
Schlimmsten rechnen, denn das verworrene Gelände bot zahlreiche Möglichkeiten
für einen urplötzlichen Orkangriff. Große Steine säumten die Landschaft und in
sich verschlungene Pflanzen krochen an den kümmerlichen Bäumen entlang. Der
Boden unter den Füßen wurde zusehends feuchter. Nicht viel hätte gefehlt, dass
er einem dickbreiigen Morast geglichen hätte. Der Himmel war mit grauen Wolken
bedeckt, die das Sonnenlicht zurückzuhalten wussten. Krähen flogen zu Dutzenden
übers Land, wohl wissend, dass sich aus dem gestrigen Tage viele
Fraßgelegenheiten ergeben hatten. Der König wappnete sein Herz und marschierte
mit den Soldaten näher an die Felsformation heran.
Soviel sie erkennen konnten,
befanden sich keine Feinde in der unmittelbaren Nähe. Regnir ließ einige Bögen
auf den verbarrikadierten Zugang richten und schlich sich vorsichtig an ihn
heran. Sein Blutdruck stieg und das Herz raste, als er den nackten Stein mit
seiner bloßen Hand berührte. Hier war sie also, die Heimstätte des Feindes. Regnir
horchte. Keinerlei Geräusche. Selbst das laue Lüftchen, welches das Heer
während des Marschs begleitet hatte, war abgeflaut.
„Wir nehmen den Zugang mit
Gewalt!“, sagte der König entschlossen zu den umstehenden Soldaten. Keine
Sekunde wertvoller Zeit durfte mehr vergeudet werden. „Bringt Seil und Pferde
herbei!“, rief er und die Männer schickten sich an, seinem Befehl Folge zu
leisten. Regnir ging zur Seite und gab Regnir ein dezentes Handzeichen. Er
wollte dringend mit ihm reden. In der Zwischenzeit begannen die Soldaten, das
recht lose umherliegende Geröll mit Händen und Strängen beiseite zu räumen.
„Mein guter Leutnant“, sprach der
König, nachdem dieser herbeigeeilt war. „Sagt, wie ist es um die Moral im Heer
bestellt?“
„Die Männer sind trotz der
Strapazen des Marsches und des Kampfes erstaunlich gut ausgeruht. Sie haben all
jene Dinge ohne größere Schwierigkeiten weggesteckt. Alle sind einsatzbereit“,
antwortete Ergon. Vom Eingang der Höhle flogen Stimmen und Geräusche von
knirschendem Gestein herüber.
„Danke für den Bericht.“
„Eure Hoheit!“ Regnir drehte sich
dem Leutnant zu und wollte wissen, was er zu sagen begehrte. „Was glaubt Ihr,
was wir dort drinnen vorfinden werden? Werden es ausschließlich die Grünhäute
sein, über die wir gestern siegten?“
Der König stutzte. Auch er konnte
keine konkrete Antwort geben. Vielmehr hatte er nur Vermutungen und selbst die
waren vage.
„Nun. Meines Erachtens dürften
wir lediglich die Orks antreffen, die wir gestern ziehen lassen mussten.
Vielleicht noch einige ‚Familienmitglieder‘, so diese Brut dergleichen kennt.“
Mehr zu sich selbst gewandt, sprach Regnir: „Und auch wenn die übelsten
Kreaturen uns erwarten, so würde ich nicht zögern, die Höhlen zu erstürmen. All
jene Gefallene und durch ihre Hand Erschlagene sollen nicht ungesühnt bleiben.
Wir bringen es heute zu Ende. Hier und jetzt erteilen wir dem alten Feind eine
Lektion, die ihn über Generationen hinaus schwächen wird!“
Ergon lauschte überrascht diesen
Worten. Selten war der König so entschlossen gewesen. Sein Gesicht wirkte
unbeugsam und in seinen Augen glühte der Zorn der Rache. Die Stimmlage klang
wie einst die des Kanzlers.
„Mein Herr. Wenn Ihr mir auch
diese Frage gestattet: Was meint Ihr, ist aus Meister Thormir geworden? Ich
hatte ursprünglich mit seiner Rückkehr am heutigen Tage gerechnet, wenngleich
ich die Beweggründe für sein plötzliches Weggehen nicht kannte und auch jetzt
nicht kenne. Ich bin dennoch beunruhigt über das Schicksal, dem der königliche
Orden anheimgefallen sein könnte.“
Regnir blickte wie aus tiefen
Träumen erwacht, Ergon an. Auch ihn befielen mittlerweile die dunkelsten Ängste
um des alten Magiers Verbleib. Es entsprach nicht seiner Natur, so lange Zeit
verschwunden zu bleiben. Keine Nachricht hatte man von ihm seit zwei Tagen
erhalten. Auch keine Hinweise auf seinen Aufenthaltsort. Und erst recht hatten
die Kundschafter keine
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