Rätsel des Nordens (Thenasia) (German Edition)
Grades an Disziplin den Befehl ohne Zögern ausführten.
Im nächsten Augenblick summten
Sehnen und Pfeile gingen zu Dutzenden auf die Menschen nieder. Mehrere gingen
zu Boden.
„Schilde nach oben! Schützt
euch!“
Abermals prasselten Geschosse auf
das königliche Heer. Dieses Mal hielt sich der Schaden in Grenzen, denn die
dicken und breiten Schilde der regulären Soldaten wehrten die Spitzen zuverlässig
ab.
„Anashga Morgha Theraba!“,
brüllte eine tiefe Orkstimme, und obwohl Regnir ihrer Sprache nicht mächtig
war, erkannte er am Tonfall, dass es ein Befehl zum Angriff war.
Trommeln brachen los und
erfüllten die Halle mit einem ohrenbetäubenden und dumpfen Getöse. Orks
johlten, grölten und kreischten wild durcheinander, während die Worte des
Königs fast untergingen.
„Soldaten! Bleibt standhaft!
Werft die Fackeln in die Dunkelheit! Jetzt!“, und ein Meer von Lichtern
erhellte wenige Minuten später die Stellen, an denen der Feind sich befand.
Grünlinge in allen erdenkbaren Größen standen den Männern des Königreichs
gegenüber. Fernab jedweden Sonnenlichts. Mitten in einer mit stickiger Luft
gefüllten unterirdischen Halle.
„Menschen! Ihr seht unseren
Feind! Er will den Kampf! Hier! Jetzt! Heute! Lasst uns das letzte Gefecht zu
ihnen bringen!“, rief Regnir und die klaren Hörner seines Volkes erklangen. An
der Spitze des Heeres stürmte der König den Linien der Orks entgegen, die
aufgrund der Entschlossenheit der Menschen mit dem Gegenangriff zögerten. Doch
Karash-nag, der Großork, trieb seine Knechte vorwärts. Nicht nur Regnir hatte
den Eindruck, als wenn die Orks mehr Furcht vor ihrem Häuptling, als vor ihnen
selbst hatten.
Erbittert fochten beide Armeen
tief unter der Erdoberfläche und lange rangen sie um den Sieg. Fern von Familie
und Sonne erschlugen Orks und Menschen einander, bis sich die Reihen von
Karash-nag so stark gelichtet hatten, dass der Häuptling mit dem kümmerlichen
Rest der Seinen in die tiefste Ebene floh, die an einem gigantischen
unterirdischen See gelegen war. Regnir spornte die Soldaten an, die letzten
Schritte zu tun. Der Erfolg war in Griffweite. Stolpernd hastete das Heer der
Menschen den Orks hinterher, die gebeugt immer weiter ins Dunkel rannten.
„Fackeln! Mehr Licht!“, rief Regnir,
damit der Weg unter ihren Füßen sichtbar bliebe. Nach langer Verfolgungsjagd
kamen beide Armeen zu ihrem Ziel. Eingekeilt zwischen See, Fels und Menschen
versuchten einige der Orks, zum letzten Male Widerstand zu leisten, allerdings
sie erlitten eine vernichtende Niederlage.
„Lasst die Grünhäute nicht
entkommen!“, befahl Ergon, der gesehen hatte, wie so mancher Feind versuchte,
im See abtauchend sein Heil zu finden. „Bögen! Rasch!“
Eine Salve Pfeile ging auf das
kalte dunkle Wasser nieder, in der Hoffnung, die schwimmenden Orks zu
verwunden. In dieser Stunde entkamen etliche Gegner, denn der See war
keineswegs sehr tief. Eine Verbindung führte unter ihm zu weiteren nahe
gelegenen Höhlen, die von den Menschen nicht gefunden wurden.
Der Großork sollte vorerst noch unentdeckt
bleiben. Er hatte sich in seine Thronkammer zurückgezogen und war dort allein
geblieben. Sein Herz pulsierte und heftig umklammerte er sein Amulett, dessen
Fähigkeiten er noch immer vertraute. Doch Karash-nag wusste nicht, dass das
Geschenk seines Gottes keineswegs ein Akt der Selbstlosigkeit gewesen war. In
all den Jahrzehnten, in denen er es bei sich getragen hatte, saugte es im Namen
Thalog Amol Ghalals dem Häuptling den Lebenssaft aus den Adern, wenngleich es
ihm ein äußerst langes Leben gewährt hatte. Karash-nag beschlich die dunkle
Ahnung, dass seine Zeit gekommen war, da der blutrote Rubin im Zentrum des
Amuletts zusehends verblasste. Der verwundete Orkführer erkannte in seiner
kurzweiligen Einsamkeit, dass er stets nur Träger, nicht etwa Herr des
Geschenks gewesen war. Die grausame Stimme seines Großgottes sprach plötzlich
zu ihm und lachte über den Betrogenen, dessen Geist er für so lange Zeit
vergiftet hatte. In der Muttersprache der Orks flüsterte er mit giftigen
Worten:
„Karash-nag, einfältiger Narr,
Marionette meines Willens. Seit einer Ewigkeit nun tragt Ihr mein Geschenk und
habt seine Vorteile ausgekostet. Nun ist es an mir, Euch einen Preis
abzuverlangen. Ich entziehe Euch Zhorag, das Amulett des Halbtodes. Wandelt vom
jetzigen Moment an als Untoter durch die Welt, die wir Götter Euch Sterblichen
zur Verfügung gestellt haben. Seid der Sklave
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