Rätsel um 4: ... den geheimen Hafen
bist doch nicht etwa schüchtern? Komm her, und bring dein Banjo mit. Sag, was du spielen willst, und der Mann am Klavier wird dich begleiten.«
»Los, Stubs«, flüsterte Robert. Er gab ihm einen aufmunternden Stoß. »Jetzt mußt du gehen. Hals- und Beinbruch!«
Stubs erhob sich, halb wütend, halb geschmeichelt. Er kletterte auf die Bühne und warf einen Blick in den Zuschauerraum.
Der Clown stellte geschäftig einen Stuhl neben ihn. »Setz deinen Fuß darauf«, sagte er, »dein Banjo ist zu schwer. So geht es besser. Und was willst du spielen?«
Stubs begann die Sache Spaß zu machen, er lachte und verkündete: »Ich spiele: ›Sing, Nachtigall, sing!‹« Und dabei schielte er kurz zu Iris hinüber, während er ein Bein auf den Stuhl stellte. Der Klavierspieler nickte und legte die Hände auf die Tasten.
Stubs winkte hoheitsvoll ab. »Ich muß mein Instrument erst stimmen«, sagte er und machte sich ernsthaft an seinem unsichtbaren Banjo zu schaffen. Er zupfte prüfend die Saiten und ließ bei jeder einzelnen einen anderen metallisch summenden Ton durch die Zähne hören.
»In Ordnung, sind Sie soweit?« wandte er sich an den Pianisten. »Gut, dann können wir ja anfangen.«
Er griff in die Saiten und begann. Es war einfach wunderbar!
Seine Bewegungen und der Klang, den er nachahmte, waren täuschend echt. Und auch mit der Begleitung klappte es großartig. Man hätte meinen können, er und der Mann am Klavier spielten seit Jahren zusammen.
Das Lied war zu Ende, Stubs nahm das Bein vom Stuhl und verbeugte sich feierlich.
Er erntete brausenden Applaus, stärkeren noch als der Zauberer. Und alle schrien vor Begeisterung, als er nun dankend huldvoll nach allen Seiten winkte. »Da capo!« schrien sie. »Da capo!«
»Willst du?« fragte der Clown. »Vielleicht ein anderes Instrument?«
»Ich habe zufällig meine Zither bei mir«, nickte Stubs hoheitsvoll, legte sein Banjo beiseite und griff nach seiner ebenso unsichtbaren Zither. »Es wäre wohl besser, ich setzte mich dazu hin.«
Und dann griff er von neuem in die Saiten und ahmte die harfenähnlichen Töne der Zither genauso täuschend nach wie die des Banjos. Er war in seinem Element! Der Erfolg hatte ihn förmlich berauscht. Er übertraf sich selber und brachte die Leute durch sein hingebungsvolles Spiel und den verzückten Ausdruck auf seinem sommersprossigen Gesicht zur Raserei.
Fräulein Pfeffer, völlig verwirrt, zerknüllte aufgeregt ein Spitzentaschentuch, und ihre Augen zwinkerten heftiger denn je hinter den dicken Brillengläsern.
Dieser Junge! Nein, dieser Junge!
Stubs endete, und der Clown trat vor ihn, verbeugte sich tief und ehrfürchtig und sagte: »Meister! Meister, ich bewundere Sie!« Und dann wandte er sich an die Zuschauer, während Stubs darüber nachdachte, ob diese Worte ein Kompliment gewesen sein sollten. »Wir kommen jetzt zur Preisverteilung«, verkündete der Clown, »den ersten Preis für die Mädchen erhält die kleine Lorna Jones für ihren Steptanz.«
Die Leute klatschten freundlich.
»Den Preis für die Jungen bekommt unser hochverehrter Freund hier für …«
Er konnte nicht weitersprechen, denn die Leute tobten, trampelten und schrien.
Stubs verbeugte sich selig lächelnd, und selig lächelnd nahm er die fünf Mark in Empfang. Welch ein Abend! Wer hätte je gedacht, daß er mit seiner verrückten Angewohnheit, Instrumente nachzuahmen, einmal einen derart durchschlagenden Erfolg haben würde!
XVI. Ein glühender Punkt in der Dunkelheit
Wie auf Wolken schwebte Stubs ins Gasthaus. »Dreh bloß nicht durch«, grinste Robert, der genau wie Dina sehr stolz auf seinen Vetter war. »Und tu mir einen Gefallen und spiele von jetzt an nicht den ganzen Tag Banjo oder Zither und ruinier uns und den Hotelgästen nicht den letzten Nerv.«
Stubs schien das alles zu überhören. »Ich überlege mir die ganze Zeit, ob ich nicht auch eine Orgel oder eine Trommel bedienen könnte«, sagte er.
»O nein!« rief das arme Fräulein Pfeffer entsetzt. »Nur das nicht! – Um Himmels willen, beeilt euch, Fräulein Trill kommt!«
Aber Fräulein Trill hatte sich vorgenommen, Lobeshymnen auf Stubs zu singen, und es war deshalb ein völlig aussichtsloses Unternehmen, ihr zu entrinnen. »Er ist ein Wunder!« flötete sie ein paar Minuten später. »Ein kleines Wunder! Welche Begabung! Der geborene Musiker, finden Sie nicht auch?«
»Oh, das dürfte wohl ein bißchen übertrieben sein«, wehrte Fräulein Pfeffer ab. »Soviel ich
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