Rätsel um die alte Villa
Theke in die Küche führte.
Sie hatte eine blütenweiße
Schürze umgebunden — vermutlich weil Sonntag war; aber ihre Miene war genauso
mißmutig wie gestern.
Kaum sah sie Oskar, keifte sie
los: „Habt ihr das Schild nicht gesehen. Hunde dürfen nicht rein. Raus mit dem
Köter!“
Gaby machte ein Gesicht, als
hätte man ihr Prügel angedroht.
Achselzuckend sagte sie zu
Tarzan: „Ich warte draußen. Komm’, Oskar!“
Die Jungen traten zur Theke.
„Was wollt ihr?“ fragte Elli.
Es klang ungnädig, denn daß sie
mehr als drei Colas verkaufen konnte, war wohl nicht zu erwarten.
Aber Klößchen, von seiner
Schokolade nicht ausreichend gesättigt, sagte schnell: „Ich kriege zwei von den
Wurstsemmeln.“
Er deutete auf die kleine
Glasvitrine neben der Theke, wo in einem Kühlfach Wurstsemmeln, Käsesorten und
drei Salatschüsseln auf hungrige Mäuler warteten.
Karl bestellte eine Limonade,
Tarzan einen Fruchtsaft.
Der dicke Zecher watschelte
heran, zog sich die Hose hoch, versuchte aber gar nicht erst, das Jackett über
dem gewaltigen Bauch zu schließen. Er schwitzte, roch stark nach Rasierwasser
und öffnete jetzt sein Portemonnaie.
„Zahlen, Elli“, sagte er, als
hätte es da noch Zweifel gegeben.
„Neunfuffzig, Erich“, verlangte
sie.
Von dem Zehn-Mark-Schein, den
er ihr reichte, ließ er sich nichts zurückgeben.
Sie sagte: „Danke, Erich.
Schönen Sonntag noch. Und grüß’ zu Hause.“
„Meine Alte ist in der Kirche“,
sagte er und faltete grinsend die Hände. Dann trollte er sich.
Die Wirtin stellte Gläser und
Flaschen auf die Theke, und Klößchen erhielt einen Teller mit seinen
Wurstsemmeln.
„Eigentlich sind wir gekommen,
um Sie was zu fragen“, sagte Tarzan. „Es geht um einen Ihrer Gäste.“
Die Frau blickte auf.
Aus der Nähe sah man die
Krähenfüße rund um ihre Augen und die harten Linien, die sich rechts und links
neben dem Mund in die Haut gruben. Sie war sicherlich erst in mittleren Jahren,
sah aber älter aus. Sie hatte harte Augen, und in ihr braunes Haar waren ein
paar orangefarbene Strähnen gefärbt.
„Was ist los?“ fragte sie. „Was
willst du wissen?“
„Es geht um Horst Kaupa.“
„Um wen? Kaupa? Nie gehört. Ich
kenne keinen Horst Kaupa.“ Böse sah sie Tarzan an.
Der seufzte. „Dann muß ich
Ihrem Gedächtnis auf die Sprünge helfen. Horst Kaupa saß gestern mittag in der
Nische dort — zusammen mit Dolores. Beide tranken Landwein, und Horst ließ
anschreiben — wie immer.“
Die Frau starrte ihn an. Am
liebsten hätte sie ihm eine runtergehauen — das merkte er. Aber ihre
Feindseligkeit störte ihn nicht, und gekränkt war er schon gar nicht.
„Kann mich nicht entsinnen“,
behauptete sie. „Möglich ist es. Aber wenn ich mir jeden Gast merken wollte...“
„Sie haben seine Zeche
angeschrieben, kriegen also noch Geld von ihm“, sagte Tarzan in etwas
schärferem Ton. „Und nicht nur wegen des Landweins. Also, machen Sie keine
Ausflüchte. Sie kennen ihn, haben ihn sogar mit seinem Namen angeredet. Kaupa
hat ein Gesicht wie ein Geier und schon ein bißchen Stirnglatze. Dolores sieht
aus wie eine hübsche Zigeunerin und war ganz in Rot gekleidet.“
„Ach so. Den meinst du. Den
Horst?“
„Ja, den.“
„Und?“
„Was wissen Sie über ihn?“
„Nichts, mein Junge!“ sagte sie
hart durch ihre Zähne, die zum größten Teil mit Gold überkront waren. „Und wenn
ich was wüßte, mein Kleiner, würde ich es dir nicht erzählen. Wie kommst du mir
denn vor! Sind wir hier bei der Polizei?“
Tarzan lächelte. „Noch nicht.
Aber vielleicht bald. Vielleicht interessiert es Sie, daß Kaupa heute nacht
zusammen mit seinem Komplicen Erwin Deininger einen schweren Einbruch verübt
hat. Deininger wurde gefaßt, Kaupa ist entkommen. Die Polizei weiß, wo er
haust. Aber dort läßt er sich nicht mehr blicken. Klar?“
Verblüfft sah sie ihn an. Dann
wieselte ihr Blick unruhig hin und her.
„So? Na, was geht mich das an?“
„Erzählen Sie uns, bitte,
alles, was Sie über Kaupa wissen. Andernfalls informieren wir die Kripo. Dann
ist die in zehn Minuten hier. Man wird Ihnen die gleichen Fragen stellen wie
wir, aber nicht so freundlich. Klar?“
Das wirkte — endlich. Mit der
Polizei wollte diese Kneipenwirtin nichts zu tun haben. Das hätte die schrägen
Vögel unter ihren Gästen vergrault, und sicherlich waren gerade das die
Stammgäste.
„Also, hört mal“, begann sie.
Dabei lächelte sie verkrampft, und ihre Stimme
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