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Räuberbier

Räuberbier

Titel: Räuberbier Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gmeiner-Verlag
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daheim absetzte, meinte sie zum Abschied: »Bis morgen früh, Reiner. Es kann sein, dass ich ein paar Minuten später komme, weil ich den Wagen in die Werkstatt bringen muss.«
    Auf mein Angebot, die Heizung ihres Wagens selbst zu überprüfen, ging sie nicht ein. Dann könne sie gleich zum Schrottverwerter fahren, meinte sie.
    Stefanie war überrascht, mich am späten Nachmittag zu sehen. Sie legte ihre Frauenzeitschrift auf den Wohnzimmertisch und gab mir einen Begrüßungskuss.
    »Bleibst du hier oder musst du noch mal weg?«, fragte sie vorsichtig.
    »Aber Stefanie«, erwiderte ich und beschloss, sie etwas aufzuziehen. »Wir stecken mitten in einem Mordfall. Die Spuren führen nach Florida. In zwei Stunden geht mein Flieger. Würdest du mich bitte nach Frankfurt zum Flughafen fahren?«
    Ich erfreute mich nur eine winzige Millisekunde an Stefanies Blässe. Dann fiel mir ihre Schwangerschaft ein. Mist, meine Spontanität hatte mich mal wieder zu unüberlegtem Handeln hinreißen lassen. Sofort nahm ich sie in den Arm und tröstete sie: »War nur Spaß, meine Liebe. Ich muss erst wieder morgen früh das Haus verlassen.«
    Stefanie atmete ersichtlich auf, und im gleichen Moment klingelte es an der Haustür.
    »Ich mache nicht auf.« Nun waren wir beide erblasst. Es klingelte ein zweites Mal. Wie versteinert standen wir im Wohnzimmer und hörten, wie die Haustür geöffnet wurde. Was hatte dies zu bedeuten? Wir konnten durch die geschlossene Wohnzimmertür einen kurzen, aber undeutlichen Dialog hören. Keine Minute später wurde die Haustür geschlossen und Melanie kam ins Wohnzimmer.
    »Wie seht ihr denn aus? Habt ihr Gespenster gesehen?«
    Ich überhörte ihre Frage. »Wer war an der Tür?«
    Melanie antwortete: »Unsere olle Nachbarin. Sie fragte, ob das Salz ausreiche, oder ob wir noch mehr benötigen.«
    »Das war Frau Ackermann?«, hakte Stefanie ungläubig nach. »Wie hast du die so schnell abserviert?«
    Melanie zuckte mit ihren Achseln. »Ich bin halt ein Naturtalent.«
    Meine Frau schaute mich an. »Apropos Naturtalent. Reiner, hast du deiner Tochter versprochen, sie heute Abend in die Disco zu fahren?«
    Ein kleiner Blickwechsel zeigte mir, dass unsere Tochter an der Reihe war, blass zu werden.
    »Ich?« Mehr wusste ich im ersten Moment nicht zu sagen. Ich stand zwischen zwei Frauen oder vielmehr zwei weiblichen Wesen, und jede erwartete von mir eine gegensätzliche Antwort. Wie konnte ich die Situation retten, ohne die Unwahrheit zu sagen, ohne Stefanie zu verärgern und ohne Melanie mit einem weiteren Kindheitstrauma zu brandmarken.
    »Ich glaube«, begann ich vorsichtig und meine Gehirnwindungen rotierten, »ich habe Melanie gesagt, dass wir alle drei gemeinsam über die Sache diskutieren sollten.«
    Stefanie lächelte erleichtert und Melanie, die ganz klar wusste, wie die Sache ausgehen würde, stampfte mit ihrem Fuß auf und schrie wütend: »Dafür lade ich für morgen unsere Nachbarin zum Kaffee ein!«
    Der Rest des Tages verlief in geordneten Bahnen. Paul musste ich höchstens alle fünf Minuten erklären, dass wir heute kein Autorennen mehr fahren konnten, wenn wir nicht riskieren wollten, dass seine Mutter das Videospiel im Restmüll entsorgen würde. Sein Kommentar, dass dies nichts mache, da es längst eine neuere und bessere Version des Spiels geben würde, fruchtete nicht. Trotzdem nahm ich mir vor, meinen Kollegen Jürgen diesbezüglich im Internet recherchieren zu lassen. Vielleicht gab es ein paar geheime Tipps, wie man gegen einen vermeintlich stärkeren Gegner gewinnen konnte?
    Melanie war, vom Essen abgesehen, den ganzen Abend nicht zu sehen. Das Abendessen war wie gestern, aber selbstverständlich frisch zubereitet. Die Kinder nörgelten kaum herum, was auch daran lag, dass ich ihnen kurz vor dem Abendessen in Abwesenheit Stefanies versprochen hatte, sie in den nächsten Tagen zu einer Stippvisite ins Caravella zu fahren. Zum Abschluss des Abends berichtete mir Stefanie, dass sie morgen früh einen Termin beim Frauenarzt habe. Wenn ich brav wäre, würde sie mir auch ein aktuelles Ultraschallbild mitbringen. Um meinen Bravheitspegel kräftig nach oben zu schrauben, wurde es an diesem Abend eine sehr lange Massage. Erst als sie leise grunzend eingeschlafen war, ging ich in den Keller und zog mir als Belohnung aus den tiefsten Stellen der Kühltruhe eine Fertigpizza hervor, die ich wie immer in der Mikrowelle erhitzte.
     
    *
     
    Ich hasste Winter. Das ging bereits morgens los, wenn der

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