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Räuberbier

Räuberbier

Titel: Räuberbier Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gmeiner-Verlag
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Zeitbedarf, den die ich für das Freikratzen der Scheiben benötigte, größer war als die kurze Fahrt zur Dienststelle.
    Wie meistens betrat ich die Kriminalinspektion durch den Haupteingang, den auch die Besucher nahmen. Ich war es gewohnt, dass der diensthabende Beamte an der Zentrale den Türöffner drückte. Doch heute war es anders. Die Tür blieb zu, und um ein Haar hätte ich mir einen Nasenbeinbruch zugezogen, als ich an die Glastür knallte.
    »Ja, bitte?« Die Stimme kam durch die Sprechanlage. Da mir die Stimme unbekannt war, entgegnete ich: »Hätten Sie die Güte, mich bitte reinzulassen?«
    Der Türöffner summte und ich konnte in den Empfangsraum. Die Tür, die zu den Büros der Dienststellen führte, war nach wie vor verschlossen. Ich schaute durch das Glasfenster zu dem Beamten, den ich noch nie gesehen hatte. Kurioserweise trug er keine Uniform.
    »Würden Sie mich bitte reinlassen?«
    »Aber Sie sind doch schon drin«, meinte dieser und ich bemerkte eine kleine Unsicherheit in seiner Stimme.
    »Ich möchte aber zu den Büros!«
    »Haben Sie einen Termin? Zu wem wollen Sie denn?«
    Das wurde ja immer schöner. Hat KPD neuerdings die Visapflicht eingeführt? Die mir unbekannte Person trat näher an das uns trennende Glasfenster. An der Hemdtasche trug er ein kleines Schild. ›P. Dösel, Praktikant‹ konnte ich lesen. Ich musste es ein zweites Mal lesen, da ich spontan an einen verspäteten Aprilscherz dachte.
    »Ich will in mein Büro«, antwortete ich. »Ist kein Beamter da?«
    Dösel zitterte leicht. »Der Kollege, der mich anlernt, ist heute krank. Würden Sie mir bitte Ihren Ausweis zeigen?«
    Was sollte ich machen? Die einzige Alternative wäre, das Gebäude zu verlassen und den Eingang durch den Hof zu nehmen. Dummerweise lag der Schlüssel zum Hofeingang wie immer in meiner Schreibtischschublade. Ich zückte meinen Dienstausweis. Der Praktikant war gewissenhaft. Er las sämtliche Daten auf dem Ausweis. Dann nahm er eine Liste zur Hand und blätterte darin herum. Endlich schien er ein Erfolgserlebnis zu haben. Der Türöffner lärmte und Dösel sagte: »Herr Palzki, Ihr Büro befindet sich im ersten Obergeschoss, Zimmer Nummer 106.«
    Ich bedankte mich artig und betrat den praktikantengeschützten Hochsicherheitstrakt unserer Inspektion. Bereits im Treppenhaus passte mich KPD ab.
    »Da sind Sie ja endlich, Herr Palzki. Ich warte schon Ewigkeiten auf Sie. Wissen Sie, wo Frau Wagner bleibt?«
    Ich erklärte ihm die Sache mit der Autowerkstatt, wünschte ihm beiläufig genuschelte frohe Weihnachten und folgte meinem Chef in sein Büro. Das Wort ›Büro‹ beschrieb den Raum nur unvollkommen. Zumindest teilweise würde eher ›Wohnlandschaft‹ passen. Kein Aktenordner sorgte für Unruhe, stattdessen schmückten hochwertige Kunstdrucke die Wände. Auf einem Regal standen Restaurantführer und Klassiker der Weltgeschichte. Die beiden Schreibtische irritierten nur den ahnungslosen Besucher. Als KPD vor ein paar Wochen zwischen einem Mahagoni- und einem Teakholzschreibtisch wählen musste, hatte er sich zum Schluss ganz einfach für beide entschieden. Repräsentation ist alles, rechtfertigte er seine Entscheidung auf Kosten des Dienststellenetats und des Steuerzahlers.
    Diefenbach wies mir mit einer Hand einen Platz in seiner opulenten Besprechungsecke zu. Diese war fast so groß wie mein Büro.
    »Ich habe gehört, Sie hatten am Samstag einen kleinen Unfall?«, begann er ohne Vorrede.
    »Sie meinen wegen des Weihnachtsgebäcks meines Freundes? Das ist halb so wild, meine Zähne sind alle noch heil.«
    »Was reden Sie da so wirres Zeug, Palzki? Benno hat mich angerufen, Sie haben sich in der Eichbaum-Brauerei in eine Unfallaufnahme eingemischt.«
    Unfall? Ich konnte nicht glauben, was ich da hörte. Sollte da ein Mord vertuscht werden?
    »Wer ist Benno?«, fragte ich nach. »Ich das so ein reiferer Mann im besten Alter mit leicht überdurchschnittlichem Gewicht?«
    KPD nickte. »Benno steht als Kripochef kurz vor seiner Pensionierung. Er ist mächtig sauer, dass ein Beamter, der nicht einmal besondere Befugnisse hat, sich in seine Untersuchung eingemischt hat.« Diefenbach schaute mir mit stechendem Blick in die Augen. »Ich habe ihm versprochen, dass ich das unter uns regle. Herr Palzki, ich möchte, dass Sie sich in Zukunft ausschließlich um Fälle kümmern, die sich in unserem Zuständigkeitsgebiet abspielen. Habe ich mich deutlich genug ausgedrückt?«
    Ich nickte ergeben. Doch eine kleine

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