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Räuberdatschi: Ein Fall für Anne Loop (Piper Taschenbuch) (German Edition)

Räuberdatschi: Ein Fall für Anne Loop (Piper Taschenbuch) (German Edition)

Titel: Räuberdatschi: Ein Fall für Anne Loop (Piper Taschenbuch) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jörg Steinleitner
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einkaufen«, sagte sie zu den Geiselnehmern, als befände sie sich gerade in der normalsten Situation der Welt.
    »Gibt’s hier am See nicht irgendeinen Lieferservice?«, erkundigte sich Jorina. »Irgendwas Thailändisches oder so?«
    Die Putzfrau verzog das Gesicht. »Thailändisch? Wollt’s ihr wirklich was Thailändisches essen? Also, ich hab so einen klein gehäkselten Fraß schon einmal probiert. Das war ein Huhn mit Bambus oder so was. Da habe ich mich schon gefragt: Bambus? Seit wann essen mir Menschen bitte Holz? Mir sind doch keine Biber! Und obendrein neigt der Thai zum Verwürzen. Ich hab fast speien müssen, so scharf war dieses Huhn mit Holz. Also Thailändisch … ohne mich! Da verhunger ich lieber!«
    Eine Dreiviertelstunde später saßen die Bankräuber und die Putzfrau Irene Heigelmoser neben dem nach wie vor am Boden liegenden, gefesselten Filialleiter und verzehrten Pizza aus Kartons.
    Weil Irene Heigelmoser hoffte, dass der Chef – gesetzt den Fall, sie würden diese unglaubliche Bankraubgeschichte überleben – sie doch nicht kündigen würde, ließ sie ihn immer wieder mal von einem Pizzastück abbeißen. Einmal wischte sie dem Vorgesetzten sogar mit einer der Papierservietten Tomatensoße vom Kinn. Irene Heigelmoser war ein fürsorglicher Mensch.
    Deshalb hatte sich die patente Person auch im Auftrag der Bankräuber um die Bestellung der Pizza gekümmert und die Lieferung an der Hintertür der Bank vom türkischen Pizzaboten entgegengenommen. Kurz hatte sie zwar mit dem Gedanken gespielt, die Gunst der Stunde zu nutzen, und a) dem Pizzamann zuzuflüstern, dass hier gerade ein Banküberfall stattfand, beziehungsweise b) einfach wegzurennen. Doch Irene Heigelmoser hatte einen Riesenhunger und nur ihre Putzfrauenschlappen an, und beides war für eine Flucht zu Fuß ein echtes Handicap. Außerdem stand hinter ihr, unsichtbar für den Pizzalieferanten, Jorina mit dem geladenen Revolver. Und wer sagte denn, dass der Pizzamann überhaupt ausreichend Deutsch konnte?
    Die Pizza schmeckte hervorragend, so gut, wie eine Pizza eben schmecken konnte, die von einem vietnamesischen Ex-Automechaniker unter Zuhilfenahme von Plastikkäse und Discountersalami zubereitet worden war; nein, angesichts des großen Hungers, der die Putzfrau plagte, schmeckte sie sogar noch besser.
    Nach dem Essen und nachdem Irene Heigelmoser ihrem Chef noch eine halbe Flasche Bier eingeflößt hatte, schlief die Bayerin satt, jedoch keineswegs zufrieden ein. Denn vorher hatte Jorina ihre Hände erneut mit Gewebeklebeband gefesselt. Irene Heigelmosers letzter Gedanke vor dem Einschlafen war indes positiver Natur: Sie freute sich über die Tatsache, dass der Chef die Pizza hatte bezahlen müssen, der knauserige Hund. Irgendwie gab es anscheinend hier und da doch noch Gerechtigkeit auf der Welt, also zumindest hier, bei diesem Geiseldrama an dem See inmitten von Bergen, in das sie so überraschend hineingeraten war.
    Weil der Hopfen, mit dem das gute bayerische Bier gebraut wird, sowohl beruhigend auf die Nerven wirkt als auch die Schlafbereitschaft fördert (dies ist eine unverrückbare medizinische Wahrheit), durchschlummerte Irene Heigelmoser trotz der von Disharmonie und Gewalt geprägten Situation die Nacht so friedlich wie ein neugeborenes Rehkitz am flauschigen Bauch der Mutter.
    Allerdings war an Ausschlafen nicht zu denken, denn auch am Montag schien die Sonne mit voller Kraft und tauchte die Geiselnehmerszenerie auf dem blauen Teppichboden schon früh in grelles Licht.
    Was man an so einem prachtvollen Sommertag nicht alles hätte tun können!, dachte sich Irene Heigelmoser, wäre man nicht in diesen Banküberfall hineingeraten. Eine kleine lauschige Bootsfahrt auf dem See, eine Wanderung zum Riedersteinkircherl, ein Tässchen Kaffee an der Uferpromenade …
    Ehe sie jedoch weiter ihren verträumten Gedanken nachhängen konnte, kreuzten die zwei Geiselnehmer auf, die, das sah die Reinigungsfachfrau auf den ersten Blick, gar nicht gut geschlafen hatten.
    »Au weh, was habt’s ihr denn heut Nacht gemacht? Ihr schaut’s ja richtig fertig aus!«, entfuhr es der Putzfrau mit genau der ehrlichen Direktheit, welche Touristen aus der Lüneburger Heide, von der Mecklenburgischen Seenplatte und aus dem Pfälzer Wald an der bayerischen Landbevölkerung so sehr schätzen.
    Robert Ochsenknecht, den die Bankräuber sicherheitshalber nicht nur gefesselt, sondern auch mit einem großzügigen Streifen Klebeband geknebelt hatten,

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