Räuberdatschi: Ein Fall für Anne Loop (Piper Taschenbuch) (German Edition)
der Tür«, keuchte Jorina.
»Das wird halt eine Kundin sein«, brachte Irene Heigelmoser sich ein. Sie war ganz froh, dass wieder ein wenig Bewegung in den Bankraub kam, denn dann kam sie wenigstens nicht auf düstere Gedanken.
»Es ist eine Mann«, sagte Rififi jetzt. »Was wir sollen tun?«, fragte er in Richtung des Filialleiters.
»Mmh, mmh«, machte jener, denn sie hatten ihm nach den Ohrfeigen den Mund wieder verschlossen. Grob riss die blonde Bankräuberin ihm das Klebeband von den Lippen. Robert Ochsenknecht bot einen erbärmlichen Anblick. Das Blut der aufgerissenen Lippen hatte sein schönes hellblaues Hemd versaut, und Irene Heigelmoser, die nun wirklich viel Erfahrung mit der Entfernung unerwünschter Flecken hatte, war sich nicht sicher, ob man es noch würde retten können. Aber mit großer Willenskraft bekämpfte sie den in ihr aufkeimenden Wunsch, um kaltes Wasser und einen Lumpen zu bitten. Irene Heigelmoser war eine willensstarke Person. Der Kraftakt gelang.
»Ich habe es Ihnen ja gleich gesagt!«, brauste der Filialleiter umgehend auf. »Wenn die Bank nicht geöffnet wird, dann beschweren sich die Kunden. Ihr werdet’s schon sehen, wie die Polizei hier gleich auf der Matte steht.«
Ehe er es sich versah, donnerte Jorinas Faust auf sein rechtes Auge. Erschüttert ob dieses unerwarteten Gewaltausbruchs nahm Irene Heigelmoser sich vor, sich nie mehr darüber aufzuregen, dass Chefs besser bezahlt wurden als Putzfrauen, obwohl sie nur den ganzen Tag in die Sessel furzten, die sie mühevoll reinigen musste. Denn so ein Faustschlag, der tat weh, ganz bestimmt. Waren eigentlich alle norddeutschen Frauen derart brutal?
Das Hämmern hörte nicht auf. Ratlos sah Rififi seine Komplizin an: »Was wir machen?«
»Komm du mit, Irene!«, befahl Jorina der Gebäudereinigerin.
»Ich?«, fragte Irene Heigelmoser, plötzlich ängstlich. »Ich kenne die Bankkunden doch gar nicht. Ich bin doch nur die Putzfrau!«
Ohne darauf einzugehen, zerrte Jorina sie auf die Beine, löste die Fessel, und zwang sie mit erhobenem Revolver nach unten in den Schalterraum. Dort schickten die Bankräuber sie vor und hielten selbst so viel Abstand zur Tür, dass der im Vorraum der Bank stehende Fremde sie nicht sehen konnte.
Der Mann, der mit seiner linken Faust wie ein Verrückter gegen die Panzerglasscheibe hämmerte, während an seinem rechten Handgelenk ein Ledertäschchen baumelte, trug eine beigefarbene Reißverschlussjacke, eine in einem ähnlichen Farbton gehaltene Stoffhose und Schuhe, wie sie ältere Leute, die sich noch für jung hielten, neuerdings gerne anhatten. Irene Heigelmoser nannte sie »Trampolinschuhe«, und sie hatte beobachtet, dass Menschen, die in diesem Schuhwerk durch die Landschaft federten, häufig ein entrücktes Lächeln auf den Lippen trugen. Vermutlich schüttelten die zur Mitte des Fußes hin dicker werdenden Sohlen die Gedanken im Hirn der Hopsenden so lustig durcheinander, dass eine schwermütige Idee komplexerer Art keine Chance hatte.
In diesem Moment jedoch verhalfen die Schuhe ihrem Träger ganz offensichtlich nicht zu besserer Laune. Der Alte drehte durch. Denn zusätzlich zu seinem aggressiven Klopfen und Hämmern schrie er jetzt auch noch Sätze wie: »Ich brauche Geld! Her mit den Moneten! Das habt ihr euch schön ausgedacht, ihr mieses Bankerpack.«
»Kennste den?«, zischte Jorina der Putzfrau zu.
Der Mann schrie weiter: »Aber ich geb hier nicht auf. Her mit dem Zaster!«
»Nein«, beantwortete die Putzfrau flüsternd Jorinas Frage.
»Ist der balla balla?«, fragte Jorina.
Und noch während Irene Heigelmoser mit den Schultern zuckte, sank der Alte in die Knie und lag Sekunden später in völlig verdrehter Körperhaltung leblos auf dem Boden.
»Der ist tot«, stellte sie erstaunt fest.
Jorina eilte neben Irene Heigelmoser und starrte in Richtung des Mannes. »Das ist ja wohl triple-fuck!«, sagte sie ungläubig.
»Wir müssen was tun!«, fuhr Irene Heigelmoser die Geiselnehmerin an. »Erste Hilfe!«
»Na, den machen wir nicht mehr lebendig.« Jorina schob den rechten ihrer blonden Zöpfe hinters Ohr.
»Nein, aber wenn da vor der Tür eine Leiche liegt, da merkt doch sofort jemand was und ruft die Polizei. Und wie bitte wollt ihr dann euer Geld kriegen, wenn da draußen die Polente steht?«, fragte die Putzfrau vorwurfsvoll und wunderte sich, dass sie diesen jungen Verbrechern jetzt auch noch erklären musste, wie man einen Bankraub erfolgreich zu Ende führte. Wie naiv
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