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RAFA: Mein Weg an die Spitze (German Edition)

RAFA: Mein Weg an die Spitze (German Edition)

Titel: RAFA: Mein Weg an die Spitze (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Carlin , Rafael Nadal
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Hätte er mich damals nicht ohne Wasser spielen lassen, hätte er mich nicht in der Gruppe kleiner Jungen, die das Tennisspielen lernten, besonders hart herangenommen, hätte ich nicht über die Ungerechtigkeit und Beschimpfungen geweint, mit denen er mich bedachte, wäre ich vielleicht nicht der Tennisspieler geworden, der ich heute bin. Ständig hob er hervor, wie wichtig das Durchhaltevermögen sei: »Halte durch, finde dich mit allem ab, was kommt, lerne Schwächen und Schmerzen überwinden, treibe dich bis an die Grenze, aber gib niemals auf. Wenn du diese Lektion nicht lernst, wirst du niemals als Spitzensportler Erfolg haben.« Das brachte er mir bei.
    Oft hatte ich mit meiner Wut zu kämpfen: »Warum muss ich nach dem Training den Platz abziehen und die anderen Jungen nicht?«, fragte ich mich. »Warum muss ich mehr Bälle einsammeln als die anderen? Warum schreit er mich so an, wenn ich den Ball ins Aus schlage?« Aber ich lernte auch, die Wut zu unterdrücken, mich nicht über die Ungerechtigkeit zu ärgern, sondern sie zu akzeptieren und weiterzumachen. Möglicherweise ging er tatsächlich zu weit, aber bei mir wirkte es. Diese ganzen Spannungen, die von Anfang an in jeder Trainingsstunde herrschten, haben es mir ermöglicht, heute den schwierigen Momenten eines Matchs mit mehr Selbstbeherrschung zu begegnen, als es mir sonst vielleicht möglich gewesen wäre. Toni hat viel dazu beigetragen, jenen Kampfgeist aufzubauen, den man mir auf dem Platz nachsagt.
    Aber meine menschlichen Werte und meine Wesensart, auf denen mein Spiel letztlich beruht, stammen von meinem Vater und meiner Mutter. Toni hat zwar darauf bestanden, dass ich mich auf dem Platz gut benehme, mit gutem Beispiel vorangehe und nie aus Wut den Schläger zu Boden werfe, was ich übrigens nie getan habe. Aber – und das ist das Wichtige – wenn ich zu Hause anders erzogen worden wäre, hätte ich vielleicht nicht auf ihn gehört. Meine Eltern verlangten viel Disziplin von mir. Sie legten großen Wert auf Tischmanieren – »Sprich nicht mit vollem Mund!«, »Sitz gerade!« – und Höflichkeit gegenüber allen. Sie legten Wert darauf, dass ich grüßte und Menschen die Hand gab. Vom Tennis völlig abgesehen, war es der größte Wunsch meiner Eltern und auch Tonis, dass ich zu einem »anständigen Menschen« heranwachsen sollte. Wäre ich nicht so gewesen und würde mich stattdessen wie ein verwöhntes Kind benehmen, würde meine Mutter mich zwar immer noch lieben, wie sie sagt, aber es wäre ihr zu peinlich, um die halbe Welt zu reisen, um mich spielen zu sehen. Von klein auf ermahnte sie mich, alle Menschen mit Respekt zu behandeln. Wenn unsere Mannschaft ein Fußballspiel verlor, bestand mein Vater darauf, dass ich zu den Spielern der gegnerischen Mannschaft ging und ihnen gratulierte. Jedem Einzelnen musste ich so etwas sagen wie: »Gut gemacht, Kumpel. Sehr gut gespielt.« Das gefiel mir gar nicht. Wenn wir verloren hatten, fühlte ich mich miserabel, und meine Miene muss verraten haben, dass meine Worte nicht von Herzen kamen. Da mir aber klar war, dass ich Ärger bekommen würde, wenn ich nicht täte, was mein Vater mir sagte, machte ich es dennoch. Und diese Angewohnheit habe ich beibehalten. Für mich ist es völlig selbstverständlich, einen Gegner zu loben, der mich besiegt hat oder der es verdient hätte, obwohl ich ihn besiegt habe.
    Trotz aller Disziplin hatte ich eine wirklich glückliche und liebevolle Kindheit. Vielleicht konnte ich deshalb Tonis strenges Regiment aushalten. Das eine schuf ein Gegengewicht zum anderen, weil meine Eltern mir vor allem ein unglaubliches Gefühl der Geborgenheit vermittelten. Mein Vater, Sebastián, ist der älteste von fünf Geschwistern, und ich war das erste Enkelkind meiner Großeltern. Daher machten meine drei Onkel und meine Tante, die damals noch keine eigenen Kinder hatten, von meinen ersten Lebenstagen an viel Aufhebens um mich. Sie erzählen, ich sei das Familienmaskottchen gewesen, ihr »Lieblingsspielzeug«. Wie mein Vater sagt, war ich erst 15 Tage alt, als er und meine Mutter mich über Nacht bei meinen Großeltern ließen, wo auch meine Onkel und meine Tante wohnten. Vom Säuglingsalter bis zum zweiten oder dritten Lebensjahr nahmen sie mich mit in die Bar, wo sie sich mit Freunden trafen, plauderten und Karten, Billard oder Tischtennis spielten. Die Gesellschaft Erwachsener war für mich das Natürlichste der Welt. Meine Tante Marilén, die zugleich meine Patin ist, nahm mich oft

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