RAFA: Mein Weg an die Spitze (German Edition)
preisgünstiger anbieten konnte. Eine Zeit lang arbeitete er als Bankangestellter, und als ihm diese Tätigkeit zu langweilig wurde, kam er über einen Freund seines Vaters – der neben der Musik im Immobiliengeschäft tätig war – in eine Glaserei in Manacor. Sie schnitt Glas für Fenster, Tische und Türen zu. Aufgrund des Tourismusbooms lief das Geschäft gut, und nach zwei Jahren nahm mein Vater ein Darlehen auf und übernahm die Firma mit meinem Onkel Toni als Partner. Da Toni weder kaufmännisches Talent noch besonderes Interesse an diesem Geschäft hatte, machte mein Vater die Arbeit, während Toni sich voll und ganz dem Tennistraining und mir widmen konnte. Heute ist mein Vater noch ebenso viel beschäftigt wie eh und je. Nach wie vor ist er in der Glasbranche und im Immobiliengeschäft tätig und hilft mir, potenziell lukrative Investitionen zu finden. Dank meines Glücks und meiner Kontakte betreibt er seine Geschäfte inzwischen auch auf internationaler Ebene. Für sich selbst braucht er das nicht, er tut es für mich und weil es ihm Spaß macht. Aufhören kommt für ihn nicht infrage, er kann gar nicht genug Herausforderungen annehmen; vielleicht ist das einer der Gründe, warum alle in meiner Familie behaupten, ich käme nach meinem Vater.
Meine sportlichen Onkel waren Toni, der Profitennisspieler war, bevor er Trainer wurde; Rafael, der mehrere Jahre in der mallorquinischen Fußballliga spielte; und Miguel Ángel, der es als Fußballer ganz nach oben schaffte. Sein großer Durchbruch kam, als er mit 19 Jahren einen Vertrag mit dem spanischen Erstligaverein Mallorca unterschrieb (sein Agent war mein Vater): Das war genau an meinem Geburtstag, am 3. Juni 1986. Miguel Ángel war groß, stark, intelligent und konnte ebenso gut in der Verteidigung wie im Mittelfeld spielen. Zudem schoss er eine ordentliche Anzahl Tore. Alle, die von meiner Kondition, meinem harten Training und meiner Ausdauer beeindruckt sind, sollten sich ihn anschauen: Er war noch mit 38 Jahren als Profifußballer aktiv, spielte 36 Mal in der spanischen Nationalmannschaft und in acht Saisons über 300 Mal für Barcelona. In dieser Zeit gewann er fünf spanische Meisterschaften und die größte Trophäe des Vereinsfußballs, den Europapokal der Landesmeister. Ich habe ihn oft spielen sehen, vor allem ist mir aber in Erinnerung geblieben, wie er mich als Zehnjährigen ins Camp-Nou-Stadion nach Barcelona mitnahm und ich nach dem offiziellen Training mit einem halben Dutzend Erstligaspielern kicken durfte. An jenem Tag trug ich ein Barcelona-Shirt. Noch lange zog meine Familie mich damit auf, denn ich bewunderte meinen Onkel Miguel Ángel zwar, war aber durch und durch Real-Madrid-Fan und werde es immer bleiben. Wie jeder weiß, sind Real Madrid und Barça die erbittertsten Rivalen in der Fußballwelt. Warum ich Real-Fan bin? Ganz einfach: weil mein Vater Real-Fan ist; daran lässt sich ermessen, wie groß sein Einfluss auf mich ist.
Jeder in meiner Familie hat dazu beigetragen, dass ich so bin, wie ich heute bin. Durch meinen Onkel Miguel Ángel hatte ich das Glück, einen Vorgeschmack auf das Leben zu bekommen, das mich erwartete, wenn ich es zum Profitennisspieler bringen sollte. Er war ein großer Star, besonders auf Mallorca. Zusammen mit dem Tennisspieler Carlos Moyá, der einmal die Nummer eins der Weltrangliste war, war er sportlich der ganze Stolz der Insel. Mein Onkel war ein großes Vorbild für mich. Er vermittelte mir Einblicke in das Leben, das mich erwartete: Er verdiente Geld, wurde berühmt, erschien in den Medien und wurde umringt und bejubelt, wohin er auch hinging. Aber er nahm sich selbst nie allzu ernst und konnte seinen Erfolg eigentlich nicht wirklich fassen – er hatte nie das Gefühl, die ganze Lobhudelei, die um ihn veranstaltet wurde, verdient zu haben – und blieb ein bescheidener, geradliniger Mensch. Da er für mich immer nur mein Onkel war, lernte ich von klein auf, das »Theater« um Prominente richtig einzuordnen und mit beiden Beinen auf dem Boden zu bleiben, als für mich die Zeit kam. Die Lektionen in Bescheidenheit, die mein Onkel Toni und meine Eltern mir von klein auf erteilt hatten, füllte Miguel Ángel mit Leben. Mittlerweile ist mir vollauf bewusst, dass alles, was mir widerfahren ist, nicht etwa daran liegt, wer ich bin, sondern daran, was ich tue. Das ist durchaus ein Unterschied. Es gibt Rafa Nadal, den Tennisspieler, den das Publikum siegen sieht, und es gibt mich, den Menschen Rafael, der
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