RAFA: Mein Weg an die Spitze (German Edition)
zuzugeben, dass er bei seinem Neffen vielleicht manchmal »zu weit in die andere Richtung« gegangen ist. Seine Strenge im Training war eine bewusste, kalkulierte Strategie. Das gilt auch für seine Reaktion auf die frühen Wettkampferfolge seines Neffen, die er immer herunterspielte. Wenn Rafa in einem Match eine tolle Vorhand schlug, gab es noch viel an seiner Rückhand zu arbeiten. Wenn er eine beeindruckende Serie weiter Grundlinienschläge schaffte, fragte Toni, was denn mit seinen Volleys sei. Wenn er ein Turnier gewann, war es keine große Sache; aber wie sah es denn mit seinem Aufschlag aus?
»Noch hast du nichts erreicht«, erklärte Toni dann. »Wir brauchen noch viel, viel mehr!« Die restliche Familie schaute mit einer gewissen Verwunderung zu, die bei Rafas Mutter zuweilen in Wut umschlug. Sein Vater, Sebastián, hatte seine Bedenken. Sein Onkel Rafael fragte sich manchmal, ob Toni seinen Neffen nicht zu hart anfasste. Sein Pate Juan, der Bruder seiner Mutter, ging sogar so weit zu behaupten, was Toni dem Kind antue sei »seelische Grausamkeit«.
Aber Toni war streng mit Rafa, weil er wusste, dass der Junge es aushalten konnte und letztlich daran wachsen würde. Bei einem schwächeren Kind hätte er nicht dieselben Prinzipien angewendet, erklärt er. Das Gefühl, dass er vielleicht doch Recht hatte, hielt die skeptischeren Familienmitglieder von einer offenen Rebellion ab. Einer, der nicht an Toni zweifelte, war Miguel Ángel, der Profifußballer. Er glaubt ebenso fest an das Durchhaltevermögen wie Toni und vertritt die Meinung, dass der Erfolg eines Spitzensportlers von seiner »Leidensfähigkeit« und sogar von seiner Freude am Leiden abhängt.
»Es bedeutet, die Tatsache akzeptieren zu lernen, dass, wenn du zwei Stunden trainieren musst, zwei Stunden trainierst, wenn du fünf trainieren musst, fünf Stunden trainierst; wenn du eine Übung fünfzigtausend Mal wiederholen musst, es eben tust. Das unterscheidet die Champions von den nur Talentierten. Und das hängt alles unmittelbar mit der Siegermentalität zusammen; wenn du Durchhaltevermögen demonstrierst, wird gleichzeitig dein Kopf stärker. Dinge, die du geschenkt bekommst, weißt du nicht zu schätzen, außer sie haben eine besondere sentimentale Bedeutung, aber was du durch eigene Anstrengung erreichst, ist für dich von Wert. Je größer die Anstrengung, umso größer der Wert.« Diese Einstellung herrschte in der Familie zumindest so weit vor, dass niemand, nicht einmal Rafas Mutter, Toni entgegentrat und ihm sagte, er solle das Kind weniger fordern. Alle begriffen, dass die vielen Trainingsstunden mit Toni extrem anstrengend waren, aber dass die beiden einen Punkt erreicht hatten, an dem sie nicht ohne einander leben, geschweige denn im Tennis erfolgreich sein konnten.
Die Familie murrte, ließ Toni aber seine Arbeit machen, respektierte seine Souveränität in seinem Bereich, sein spartanisches Regime, in dem Jammern nicht erlaubt war, der werdende junge Champion allen möglichen Prüfungen unterzogen und Entbehrungen ausgesetzt war und Entschuldigungen, so legitim sie sein mochten, nicht akzeptiert wurden. Wenn er ein Spiel verlor, weil der Rahmen seines Schlägers einen Riss hatte, wollte Toni nichts davon wissen; wenn er schlecht spielte, weil der Schläger nicht hart genug besaitet war und der Ball falsch flog, blieb Toni unbeeindruckt. Ob er Fieber, Schmerzen im Knie oder einen schlechten Tag in der Schule hatte: Nichts zog bei Toni. Rafa musste lächeln und durchhalten.
Schon als Baby ließ ich einen Hang zu meiner kommenden Obsession erkennen. Courtesy of Rafael Nadal
Als Kleinkind suche ich hier Abkühlung von der Sonne Mallorcas. Courtesy of Rafael Nadal
Ich mit meinem Onkel, Miguel Ángel Nadal, dem Profifußballer. Courtesy of Rafael Nadal
Ich im Real-Madrid-Trikot, der Fußballmannschaft meines Lebens. Courtesy of Rafael Nadal
Ein Vorgeschmack auf eine weitere Leidenschaft meines Lebens: Boot fahren. Courtesy of Rafael Nadal
Ich mit Freunden, die mein Onkel Toni ebenfalls trainierte. Courtesy of Rafael Nadal
Mit Boris Becker und Freunden. Courtesy of Rafael Nadal
Ich mit einem Tennis spielenden Goofy. Courtesy of Rafael Nadal
Tests und Training im Fitnessstudio auf Mallorca. © Joan Forcades
Tests und Training im Fitnessstudio auf Mallorca. © Joan Forcades
In Paris mit der French-Open-Trophäe 2008 (von links nach rechts), hinten: mein Vater, meine Mutter, ich, Rafael »Titín« Maymó; vorn: Benito Pérez Barbadillo,
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