RAFA: Mein Weg an die Spitze (German Edition)
durchaus nichts Ungewöhnliches bei Tennisspielern und beeinträchtigt sie vor allem beim Aufschlag, wenn sie sich nach dem Ball recken. Solange man sich aber ansonsten fit fühlt, kann man durchaus damit spielen. Als Nächstes standen die US Open auf dem Plan, und dieses Mal sagte ich nicht ab. Ich kam weiter, als ich es unter diesen Umständen erwartet hatte, und schied im Halbfinale gegen den Argentinier Juan del Porto aus, der mich mühelos 6:2, 6:2, 6:2 besiegte und anschließend das Turnier gewann. Mir reichte es. Es war Zeit, eine Auszeit zu nehmen, um mich den neuen Realitäten zu Hause zu stellen, zu lernen, damit umzugehen, das Tennis ein Weilchen aus dem Kopf zu bekommen und meinem Körper Zeit zur Erholung zu geben.
Ich habe nie einen Punkt erreicht, an dem ich das Tennisspielen gehasst hätte, wie manche Profispieler von sich sagen. Nach meiner Ansicht kannst du etwas nicht hassen, was dich ernährt und was dir fast alles im Leben gegeben hat. Es mag allerdings Zeiten geben, in denen du müde wirst und einen Teil des fanatischen Enthusiasmus verlierst, den du brauchst, um Wettkämpfe auf höchstem Niveau zu bestreiten. Wie Toni war auch ich immer überzeugt, dass man nie von seinen einmal gefundenen Mustern abgehen darf, wenn man weiter bei Wettkämpfen bestehen will. Man muss fortwährend hart trainieren, ob einem danach ist oder nicht, weil sich jedes Nachlassen der Trainingsintensität in den Ergebnissen auf dem Platz niederschlägt. Aber wenn ein Punkt erreicht ist, an dem du einfach mental und körperlich nicht mehr tagtäglich 100 Prozent geben kannst, ist es am besten, zu pausieren und abzuwarten, bis der Wille sich wieder einstellt.
Weihnachten 2009, elf Monate, nachdem wir von den Problemen meiner Eltern erfuhren, hatten wir uns allmählich darauf eingestellt, mit der neuen Familiensituation umzugehen. Meine Mutter – der es 2009 miserabel ging – fand zu ihrem alten Elan zurück, und ich hielt die Zeit für reif, ein neues Kapitel aufzuschlagen. Die Medien waren voller Artikel, in denen bezweifeltet wurde, ob ich je wieder meine Bestform erreichen würde, und manche Experten fragten sich sogar, ob mein körperlich hartes Spiel einen Tribut gefordert hätte, von dem ich mich nie wieder völlig erholen würde. Das spornte mich nur in dem Wunsch an, zurückzukommen und den Skeptikern zu beweisen, dass sie sich irrten. Toni, der selbst nicht immun gegen die familiären Erschütterungen war, hatte sehr viel Mitgefühl gezeigt. Aber als dieses schreckliche Jahr sich dem Ende zuneigte, fand er, dass es nun reichen würde. Es sei an der Zeit, sich zusammenzureißen und wieder an die Arbeit zu gehen. »Es gibt viele Leute, die Probleme im Leben haben, aber trotzdem weitermachen«, erklärte er. »Was macht dich zu etwas so Besonderem, dass du eine Ausnahme sein solltest?« Wie üblich nahm er kein Blatt vor den Mund und hatte in gewisser Weise Recht. Obwohl die Schmerzen in meinen Knien nie völlig verschwanden, nahm ich mein Training wieder voll auf. Als das Jahr 2010 näher rückte, kämpfte ich hart darum, mich für die Australian Open in Form zu bringen.
Mit einem Sieg rechnete ich zwar nicht, war aber dennoch bitter enttäuscht über die Art, wie ich im Viertelfinale gegen Andy Murray ausschied: Mitten im dritten Satz musste ich wegen meiner Knie aufgeben. Murray hatte die beiden ersten Sätze gewonnen, und im Sinne eines ehrlichen Wettkampfs hätte ich gern bis zum Ende durchgehalten, auch wenn offensichtlich war, dass er gewinnen würde. Aber die Schmerzen wurden so schlimm und die potenziellen Risiken für meine Knie so groß, dass ich aufgeben musste. Nach der harten Vorbereitung auf die Australian Open war es ein schwerer Schlag für mich, umso mehr als mein Arzt mir mitteilte, dass ich zwei Wochen Pause und weitere zwei Wochen Rehabilitation brauchen würde, bevor ich wieder an Wettkämpfen teilnehmen könnte. Das war wieder einmal ein Beleg, dass das Leben eines Spitzensportlers der Gesundheit nicht zuträglich ist – diese Auffassung vertritt auch Joan Forcades, der meiner Ansicht nach ein Experte auf diesem Gebiet ist.
Die Zweifler hatten nun mehr Munition denn je, aber ich weigerte mich, zu glauben, dass ich am Ende war. Ich verfiel nicht in Verzweiflung, wie es fünf Jahre zuvor passiert war, als die Probleme mit meinem Kahnbein mich außer Gefecht gesetzt hatten. Ich konnte zwar nicht laufen, aber doch gehen, humpelte nicht an Krücken und musste nicht im Sitzen Bälle
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