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RAFA: Mein Weg an die Spitze (German Edition)

RAFA: Mein Weg an die Spitze (German Edition)

Titel: RAFA: Mein Weg an die Spitze (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Carlin , Rafael Nadal
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Reflex, der zuweilen geradezu lächerlich extreme Formen annimmt. Zu Beginn der French Open schlenderten er und ich eines Tages mit Carlos Costa einen breiten Pariser Boulevard entlang. Ich ging in der Mitte zwischen Toni und Carlos. Plötzlich blieb Toni stehen: »Wartet mal. So geht das nicht.« Verwirrt und leicht irritiert schauten Carlos und ich ihn fragend an, als ob wir sagen wollten: »Was ist?« »So geht das nicht«, wiederholte er. »Was geht so nicht?« »Dass du, Rafael, in der Mitte gehst.« Nach Tonis Ansicht vermittelten wir Passanten den Eindruck, ich sei unter uns dreien etwas Besonderes, als ob er und Carlos meine Bodyguards oder Höflinge wären. Carlos, der weniger Geduld mit Toni hat als ich, wollte Toni widersprechen: »Meine Güte, Toni …« Aber ich bin in solchen Momenten um des lieben Friedens Willen geneigt, über solche Kleinigkeiten hinwegzusehen. Also gab ich Toni nach und wechselte, wie er es wünschte, an den Rand unserer Dreiergruppe.
    Das wichtigere Ziel, das ich in Paris erreichte, war, die Kritiker, die meinen Niedergang beschworen, ein für alle Mal zum Schweigen zu bringen. Ich wurde meiner Favoritenrolle gerecht und gab auf dem Weg ins Finale keinen Satz ab. Dort traf ich auf Robin Soderling, gegen den ich im Vorjahr bei den French Open ausgeschieden war. Da Soderling im Viertelfinale Federer geschlagen hatte, würde mir ein Sieg über ihn genügend Punkte bringen, um in der Weltrangliste wieder auf Platz eins aufzusteigen. Ich gewann das Finale in drei Sätzen 6:4, 6:2, 6:4 und konnte meinen siebten Grand-Slam-Sieg verbuchen.
    Das nächste große Turnier war einen Monat später in Wimbledon. Da ich im Vorjahr nicht einmal dort angetreten war, weil ich mich zu schlecht gefühlt hatte, brannte ich darauf, zurückzukommen und meinen zweiten Wimbledon-Sieg zu erringen. Ich war zuversichtlich, dass es mir gelingen würde. Carlos Costa vergleicht mich gern mit einem Dieselmotor. Ich komme nicht immer sonderlich schnell auf Touren, aber wenn ich einmal in Fahrt bin, bin ich nicht zu stoppen. Das mag ein bisschen übertrieben sein, aber im Juni 2010 war der Schwung tatsächlich wieder auf meiner Seite.
    Der entscheidende Auslöser war die Tatsache, dass sich die Lage zu Hause bei meinen Eltern beruhigt hatte und ich den Kopf wieder frei hatte, um mich auf mein Tennis zu konzentrieren. Die verheerenden Auswirkungen, die ihre Trennung auf mich hatten, belegten nachhaltig den unmittelbaren Zusammenhang zwischen familiärer Stabilität und der Stabilität meines Tennisspiels. Beide Systeme waren zu eng miteinander verflochten, als dass sich eines nicht auf das andere ausgewirkt hätte. Mittlerweile war jedoch einige Zeit vergangen – nahezu eineinhalb Jahre, seit mein Vater mir auf der Heimreise aus Melbourne über ihre Probleme berichtete –, und ich hatte mich auf die neuen Realitäten eingestellt. Dank meiner Eltern sah diese Wirklichkeit nicht so destruktiv aus, wie ich anfangs vielleicht befürchtete. Sie blieben zwar getrennt, gingen aber gut damit um und stellten mein Wohlergehen und das meiner Schwester in den Vordergrund. Manche Paare, die sich trennen, benutzen ihre Kinder als Mittel, um sich aneinander zu rächen. Bei meinen Eltern war es genau umgekehrt. Beide bemühten sich nach Kräften, das Ganze für Maribel und mich so erträglich wie möglich zu gestalten. Nach der anfänglichen Bitterkeit gab es keine Gehässigkeiten mehr, und mit der Zeit wurden sie sogar Freunde und kamen wieder gemeinsam zu Turnieren, um mich spielen zu sehen. Es gibt zivilisierte und unzivilisierte Trennungen. Ihre Trennung verlief zivilisiert, und dafür bewundere und liebe ich sie.
    Am Morgen nach dem French-Open-Sieg und einer Siegesparty mit Beyoncé und anderen Prominenten fand ich mich daher fröhlicher Stimmung mit meinem Vater, Titín, Benito und Tuts auf dem Weg ins Disneyland Paris wieder. Dort hatten wir einen Fototermin vereinbart. Trotz des Schlafmangels hatte ich keine Probleme, dieser beruflichen Verpflichtung nachzukommen. Ich hatte Disneyland Paris schon früher besucht und mich dort immer wunderbar amüsiert. Ich liebe die Gesellschaft von Kindern und finde ganz von selbst guten Zugang zu ihnen.
    Unangenehm war, dass wir mit dem Hubschrauber dorthin flogen, ein Transportmittel, das ich gelegentlich benutzen muss, das mir aber immer Angst macht. Wir überlebten den Flug, was mich die Fahrten auf einigen der Attraktionen noch mehr genießen und mich ungezwungen lächeln ließ, als

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