Rafflenbeul, S: Elfenzeit 14: Der Magier von Tokio
annahm.
»Okay, ruh dich aus«, sagte der Münchner und verschränkte die Hände hinter dem Rücken. »So, wie es aussieht, weiß Tenji nichts von den Elfen. Wir ziehen morgen unseren Plan durch und sind mit David und Rian verschwunden, ehe er dir noch einmal etwas antun kann.«
Nadja lächelte schwach. »Ich bin so froh, dass du da bist, Tom. Du bleibst immer beim Wesentlichen. Woher nimmst du diese Kraft?«
Überrascht sah er sie an. »Ich? Weiß ich nicht. Ich fühle mich gar nicht stark. Aber im Moment habe ich auch nur wenig Angst. Vielleicht, weil dein Vater gesagt hat, ich würde noch eine Rolle in dieser Geschichte spielen. Vielleicht aber auch, weil ich mir schon seit meiner Kindheit wünsche, einmal ein solches Abenteuer zu erleben.«
»Abenteuer können tödlich sein.«
Nadja musste an ihre Eltern und all die vielen Elfen denken, die auf dem Idafeld gestorben waren. Sie waren nicht die einzigen Opfer seit dem Beginn ihrer langen Reise. Mit geschlossenen Augen sah sie den Tod von Max vor sich, der sich auf Sizilien mutig dem Getreuen gestellt hatte. Max war ein Ziehsohn ihrer Mutter gewesen, und auch wenn sie nichts für seinen Tod konnte, fühlte Nadja sich doch schuldig, Max in diese Sache hineingezogen zu haben.
Sie schwiegen. Schließlich legte sie sich zurück, und Tom zog ihr die weiße Decke bis zum Kinn hoch. Er selbst zog sich in den großen blauen Sessel mit der Fußstütze zurück.
»Schlaf jetzt. Versuche, dich zu entspannen.«
12 Der Mut der Verzweiflung
Wenn das mit dem Schlafen nur so einfach wäre. Nadja wälzte sich von einer Seite auf die andere. Wirre Bilder quälten sie. Tenji, David und der Getreue, die um ihre Gunst warben. Die ihr Masken und Rosen schenkten und von ihr forderten, sich auszuziehen.
Hitze und Kälte schüttelten sie. Eine Nachwirkung des Giftes oder Tenjis verderblicher Einfluss? Nadja wusste es nicht. Oft war sie nicht wach genug, um darüber nachzudenken.
Sie sah sich und Tenji. Der gut aussehende Mann lag auf ihr, auf einer weißen Couch, die an die Couch in Mashikos Zimmer erinnerte und mitten auf der Bühne im Theater der Weißen Masken stand. Die Blicke der Zuschauer waren auf Nadja gerichtet, die sich unter Tenji wand, sich seinem Körper hingab.
Nein, das ist falsch, alles falsch
.
Sie sah den Getreuen. Das Verlangen in seinen dunklen Augen. Davids starke, sehnige Arme umfingen sie. Die Bilderfetzen rissen Nadja mit sich fort, entfachten Lust nie gekannten Ausmaßes in ihr. Nadja spürte, wie ihre Schenkel feucht wurden und sie sich mehr und mehr einem Orgasmus näherte, obwohl alles in ihr sich dagegen sträubte.
Ich will nicht
, dachte sie benommen, von der Schwere ihrer Träume erdrückt. War es Traum oder Realität? Stand da nicht plötzlich David in ihrem Hotelzimmer? Beugte er sich nicht über sie, um ihr mit rauer Stimme zu sagen, dass er sie wollte, auf der Stelle? Waren das nicht seine Finger auf ihrer Haut? Seine Lippen auf ihrer Stirn und ihrer Schläfe?
Nadja hatte das Gefühl, kein Auge zuzubekommen, doch als sie erwachte, flutete helles Sonnenlicht ins Zimmer. Sie streckte sich ausgiebig, holte ihr Handy aus der Handtasche und erschrak. Es war schon nach zwölf Uhr mittags!
Tom kam mit einem großen weißen Tablett und einem ausgiebigen Frühstuck herein.
»Ich habe den Leuten vom Hotel etwas extra bezahlt«, erklärte er auf ihren fragenden Blick hin.
»Wo ist Kush?«
»Der wollte zu Naburo zurück. Wir sollten auch bald zum Theater aufbrechen. Immerhin musst du den Text noch lernen.«
Gierig schlang Nadja drei Brötchen mit Wurst, Marmelade und Käse hinunter und trank dazu drei Tassen Kaffee sowie einen halben Liter Saft. Weder wollte sie an den gestrigen Abend noch an die Albträume der Nacht denken. Alles, was nun zählte, war, dass sie David und Rian so schnell wie möglich befreiten. Und dazu benötigte sie Kraft.
Sie brauchte nicht lange, um zu duschen und sich fertig zu machen.
»Gehen wir«, sagte sie entschlossen.
Tom sah sie bewundernd an. »Du bist sehr stark, Nadja, du schaffst das.«
»
Wir
schaffen das. Und die Elfen sind ja auch noch da.« Sie rang sich ein Lächeln ab, dann ging sie mit Tom durch den hellen Flur des Hotels zum Aufzug.
Im Theater drückte sich Nadja davor, Tenji in die Arme zu laufen. Sie würde diesen hinterhältigen Wurm noch früh genug zu Gesicht bekommen.
Chiyo brachte ihr einen Text vorbei. »Ich habe die ganze Nacht daran gearbeitet«, sagte sie. Sie hatte Tom einen Teil des Textes
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