Rage Zorn
Abend zwischen dir und Malloy so gefunkt hat. Ich hätte mir fast die Brauen versengt. Komm
schon, Paris, sagâs mir«, greinte er. »Ich bin bestimmt nicht schockiert. Immerhin hast du den hässlichen Unterleib meiner Familie zu sehen gekriegt, und etwas AbstoÃenderes gibt es wohl kaum. Was ist damals zwischen euch dreien gelaufen?«
»Das habe ich dir gerade erzählt. Wenn du mir nicht glaubst, ist das dein Problem. Und wenn du Schattierungen willst, dann denk dir welche aus. Mir egal, solange es dich nur beschäftigt hält. Vielleicht fällt dir dabei zur Abwechslung auch was Produktives zu tun ein.«
Sie konzentrierte sich wieder auf das Mischpult, die Telefonleitungen, ihre Playlist und den Infomonitor, auf den der örtliche Wetterdienst einen neuen Wetterbericht geschickt hatte.
Stan seufzte resigniert und ging wieder zur Tür. Ãber die Schulter hinweg rief ihm Paris zu: »Fass bloà nichts an, was zerbrechen könnte.«
Doch sobald er drauÃen war, löste sich ihre lockere Art in Luft auf. Sie versenkte den inzwischen kalten, bitteren Tee im Mülleimer. Am liebsten hätte sie Stan dafür erwürgt, dass er so viele verstörende Erinnerungen wachgerufen hatte.
Aber sie hatte keine Zeit, lang darüber nachzusinnen. Sie hatte zu tun. Energisch machte sie das Mikro auf und sagte: »Noch einmal alles Gute zum Geburtstag, Alma. Ihr Song hat uns ein paar Jahrzehnte in die Vergangenheit reisen lassen, aber hier auf FM 101.3 ist jeder Lovesong ein Klassiker. Ich bin Paris Gibson, und ich begleite Sie bis zwei Uhr. Bleiben Sie dran. Ich würde mich freuen, wenn Sie mir Gesellschaft leisten. Und ich würde mich freuen, Ihre Wunschlieder zu spielen. Rufen Sie an.«
Sie und Dean hatten ausgemacht, dass sie alle an Valentino gerichteten Bemerkungen und alle Kommentare über Janey zurückhalten würde, bis er bei ihr war. Sie waren gleichzeitig von ihrem Haus weggefahren, aber er wollte Gavin noch heimbringen, bevor er in den Sender kam.
Das Dinner war glatt gegangen. In stillschweigender Ãbereinkunft hatten sie nicht über den Fall gesprochen, in den sie inzwischen allesamt verwickelt waren. Stattdessen hatte sich die
Unterhaltung um Filme, Musik und Sport gedreht. Und sie hatten über gemeinsame Erinnerungen gelacht.
Zum Abschied hatte sich Gavin höflich für das Essen bedankt. »Dad ist ein lausiger Koch.«
»Ich bin auch kein Bocuse.«
»Du bist ihm jedenfalls näher als er.«
Es war nicht zu übersehen, dass Dean hochzufrieden war, weil sie so gut mit Gavin ausgekommen und das gemeinsame Essen so problemlos verlaufen war. Sie hatte es ebenfalls sehr genossen und nur ein halbes Glas Chardonnay getrunken â ihr Limit vor der Arbeit. Der Genuss wurde nur durch das Wissen getrübt, dass Liz Douglas ihretwegen einen Abend lang auf die beiden Männer verzichten musste.
Während der nächsten Werbeeinblendung nahm sie die wartenden Anrufe entgegen. Jedes Mal, wenn sie auf einen der blinkenden Knöpfe drückte, wurde ihr vor Angst die Kehle eng, was sie umso wütender auf Valentino machte. Seinetwegen fürchtete sie sich vor der Arbeit, die sie einst gerettet hatte. Denn ihr Job hatte ihr während der sieben Jahre, die sie für Jack gesorgt hatte, Bodenhaftung gegeben. Nur in dem Wissen, dass sie abends in den Sender fliehen konnte, hatte sie die endlos langen Tage im Pflegeheim überstanden.
Sie bekam einen Anruf von einer jungen Frau namens Joan, die so ansteckend fröhlich war, dass Paris beschloss, sie auf Sendung zu nehmen. »Sie sagen, dass sie ein Seal-Fan sind.«
»Ich habe ihn einmal in L.A. in einem Restaurant gesehen. Er sieht echt supercool aus. Könnten Sie Kiss from a Rose für mich spielen?«
Automatisch schob sie das Lied hinter drei Liedern in die Playlist.
Wieso braucht Dean so lange?, rätselte sie. Auch wenn er sich bemühte, sich nichts anmerken zu lassen, konnte sie ihm ansehen, dass ihm Gavins Beziehung zu Janey Kemp groÃe Sorgen machte. Jeder Vater, der sein Kind liebte, hätte sich an seiner Stelle Sorgen gemacht, aber Dean würde sich noch dazu die alleinige
Schuld an Gavins Fehlverhalten geben und es als sein persönliches Versagen deuten.
Genau wie er es als seine Schuld angesehen hatte, dass Albert Dorries Geiselnahme in Houston in einer Tragödie endete.
Da war sie wieder. Die nächste Erinnerung. So sehr sie die
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