Rage Zorn
ähnlich. Mit aller Professionalität, die sie aufbringen konnte, fragte sie: »Haben Sie noch einen Wunsch?«
»Allerdings.«
»Ich höre.«
»Ich wünsche mir, dass du mich liebst, Paris.«
Sie schloss die Augen, hielt kurz den Atem an und sagte dann leise, aber mit allem Nachdruck: »Das tue ich.«
»Ich liebe dich auch.«
Â
John Rondeau sprintete die Treppe hoch, statt lange auf den Lift zu warten. Seine E-Mail-Korrespondenz mit einem Kollegen im Police Department von Atlanta hatte neue Erkenntnisse über Crenshaw erbracht, die er Curtis augenblicklich mitteilen wollte. Rondeau wollte die Nachrichten lieber persönlich überbringen, als sie per E-Mail weiterzuschicken oder anzurufen.
Aber als er ins CIB trat, herrschte dort helle Aufregung. Von der Zahl der Polizisten her, die dort herumschwirrten, hätte es eher Mittag als Mitternacht sein können. Als eine Polizistin an ihm vorbeischoss, hakte er seine Hand unter ihren Arm und brachte sie damit abrupt zum Stehen. »Was ist denn los?«
»Wo haben Sie gesteckt?« Mit einem strengen Blick wand sie ihren Arm aus seinem Griff. »Wir haben Armstrong gefasst. Er müsste gleich hier sein.«
Rondeau sah Dean Malloy im Gespräch mit Toni Armstrong und einem Mann in einem grauen Anzug, der den Aufdruck »Achtung Anwalt« zu tragen schien. Curtis saà in seinem Eck über sein Telefon gebeugt und rieb sich mit der Handfläche unablässig über die von tiefen Schluchten durchfurchte Stirn.
Gerade sagte er: »Nein, Richter, er hat noch nicht gestanden, aber eine Menge Indizien sprechen gegen ihn. Wir hoffen, dass wir bei der Obduktion Spuren von DNA finden, obwohl der Leichnam gewaschen wurde â«
Er verstummte, offenkundig weil er unterbrochen wurde. Gleichzeitig begann er, seine Stirn noch energischer zu massieren. »Ja, ich weià genau, wie lange es dauert, eine DNA-Probe zu vergleichen, aber wenn Armstrong erfährt, dass wir eine Probe für einen Vergleich nehmen wollen, wird er vielleicht von sich aus gestehen. Das werde ich ganz bestimmt, Richter. Auf jeden Fall. Sobald ich etwas Neues erfahre. Noch einmal mein aufrichtiges Beileid an Mrs Kemp. Gute Nacht.«
Er legte auf, starrte ein paar Sekunden auf den Apparat und sah dann zu Rondeau auf. »Was?«
Rondeau hob den mitgebrachten Ordner in die Höhe. »Stan Crenshaw. Der Mann ist seit der Grundschule auffällig. Damals
schon hat er den Mädchen unter den Rock gelinst und sich nackt ausgezogen. Eine interessante Lektüre.«
»Ganz bestimmt, nur ist er nicht Valentino.«
»Was soll ich jetzt mit dem Zeug machen? Wegwerfen?«
Curtis zog im Aufstehen die mit Monogramm bestickten Manschetten nach unten und strich seine Krawatte gerade. »Lassen Sie es auf meinem Schreibtisch liegen.«
»Jemand sollte einen Blick darauf werfen«, drängte Rondeau beharrlich.
Eine spürbare Veränderung in der Atmosphäre verriet, dass sich auÃerhalb der Stellwände von Curtisâ Arbeitseck etwas Unerhörtes ereignete. Rondeau folgte ihm nach drauÃen. Sie schlängelten sich zwischen den Stellwänden hindurch ins Zentrum des CIB.
Rondeau kannte Dr. Brad Armstrong bereits von den Familienschnappschüssen, die er von der CD gezogen hatte. Flankiert wurde er von zwei uniformierten Polizisten. In Handschellen und mit hängendem Kopf stand er da, fast wie ein geschlagener Krieger. Er wurde in einen Vernehmungsraum geführt. Malloy, der Anwalt und Toni Armstrong folgten ihm auf den Fersen. Curtis betrat den Raum als Letzter. Energisch zog er die Tür hinter sich zu.
Rondeau fühlte sich ausgesperrt und klopfte grollend mit dem Ordner in die offene Hand. Wenn Curtis meinte, dass er Valentino bereits geschnappt hatte, konnte er den Ordner gleich fallen lassen und Stan Crenshaw vergessen.
Aber was war, wenn Curtis, nachdem er Armstrong verhört hatte, zu dem Schluss kam, dass er den Falschen hatte? Wenn das Ergebnis der Obduktion Zweifel aufwarf oder gar die Indizien entkräftete, die gegen Armstrong sprachen? Wenn seine DNA nicht zu den Spuren passte, die man an Janeys Leichnam fand â falls es überhaupt welche gab, nachdem ihre Leiche quasi chemisch gereinigt worden war?
Rondeau fällte eine Entscheidung und eilte aus dem CIB. Als er durch die Flügeltür lief, sah er Gavin Malloy und ein Mädchen auf einer Bank im Vorraum sitzen. Sie waren ihm
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