Rage Zorn
unterhalten uns morgen.«
»Versprochen. Gute Nacht.«
»Gute Nacht.«
Er nahm einen tiefen Schluck aus der Wasserflasche, die immer im Kühlschrank stand, und wanderte dann durch das dunkle Haus auf die beiden Schlafzimmer zu. Unter Gavins Tür drang kein Licht hervor, nicht einmal das Glühen seines Computermonitors. Er blieb stehen und warf einen Blick hinein.
Gavin schlief tief und fest. Mit nichts als seiner Unterhose an, lag er auf dem Rücken, Arme und Beine weit von sich gestreckt. Die Decke hatte er weggestrampelt. Er war fast so lang wie sein Bett. Und er atmete durch den Mund, so wie er es schon als Baby getan hatte. Er sah so jung und unschuldig aus. Mit sechzehn wandelte er auf dem schmalen Grat zwischen Kind und Mann. Aber im Schlaf wirkte er eindeutig wie ein Kind.
Während Dean dastand und seinen Sohn betrachtete, begriff er, dass das schmerzhafte Ziehen in seiner Brust Liebe war. Er hatte Gavins Mutter nicht wirklich geliebt, und sie ihn eigentlich auch nicht. Aber beide liebten Gavin. Von jenem Tag an, an dem sie erfuhren, dass sie ihn gezeugt hatten, hatten sie die Liebe, die sie eigentlich füreinander empfinden sollten, auf den Menschen gerichtet, den sie gemeinsam geschaffen hatten.
Offenbar war es ihnen nicht gelungen, Gavin spüren zu lassen, wie tief ihre Liebe war. Er glaubte ihnen immer noch nicht, dass sie ihn mit ihrer strengen Erziehung nur schützen wollten und dass sie ihn nicht zu ihrem persönlichen Zeitvertreib maÃregelten, sondern weil er ihnen wichtig war.
Verdammt, Dean wollte ihm immer ein guter Vater sein. Er wollte alles richtig machen. Sein Sohn hätte nicht eine Sekunde seines Leben daran zweifeln sollen, dass er geliebt wurde. Aber irgendwo unterwegs war Dean offenbar ins Straucheln gekommen, irgendwo hatte er einen Fehler gemacht oder etwas unterlassen, das er keinesfalls hätte vergessen dürfen. Jetzt zeigte ihm sein Sohn offen die Verachtung, die er für ihn empfand.
Bedrückt, dass er so versagt hatte, wich Dean von Gavins Bett zurück und zog leise die Tür hinter sich zu.
Das Elternschlafzimmer war ein groÃer Raum mit hoher, gewölbter Decke, groÃen Fenstern und einem Kamin. Es hatte eine bessere Einrichtung verdient als die, auf die sich Dean beschränkt hatte und die nur die allerwichtigsten Möbel und etwas Bettzeug umfasste. Als er eingezogen war, hatte er Liz erklärt, er würde es ihr überlassen, das Zimmer einzurichten, nachdem sie geheiratet hätten. Aber damit hatte er sie und sich selbst belogen. Er hatte sie noch nicht einmal eingeladen, eine ganze Nacht in seinem Bett zu verbringen.
Er stöpselte das Ladekabel seines Handys in eine Steckdose im Bad, wo es griffbereit war, zog sich dann aus, stieg unter die Dusche und lieà das heiÃe Wasser auf seinen Kopf prasseln, während er im Geist noch einmal alles durchlebte, was nach Valentinos Anruf passiert war.
Die Hetzjagd zu dem öffentlichen Telefon war für alle Beteiligten ein vergebliches Unterfangen gewesen â für die Polizisten in den drei Streifenwagen ebenso wie für Sergeant Robert Curtis, der nachts genauso korrekt gekleidet war wie am Tage, oder für Paris und ihn.
Kurz bevor sie eintrafen, war ihnen über Funk bestätigt worden, dass Valentino nicht in der Nähe des Apparates, von dem der Anruf ausgegangen war, zu finden war. Der Wal-Mart war seit Stunden geschlossen. Der Parkplatz eine menschenleere Betonwüste. Der einzige Zeuge war ein streunender Kater, der sich an den Ãberresten eines Hotdogs labte, das jemand in Richtung eines Mülleimers geworfen hatte, ohne ihn zu treffen.
»Das war wohl für die Katzâ«, kommentierte Curtis trocken, als er die Situation zusammenfasste.
Er und Paris hatten sich zu dem Detective ins Auto gesetzt, um die Bemühungen, Valentino zu ergreifen, nach ihrem Scheitern zu analysieren. Er saà auf dem Beifahrersitz. »Ich habe den Anruf auf Kassette aufgenommen«, erzählte er Curtis.
»Dann lassen Sie mal hören.«
Er spielte das Band ab und spulte es dann zurück, damit sie es ein zweites Mal hören konnten. Als es zu Ende war, bemerkte Curtis: »Er scheint nicht zu wissen, dass wir hinter ihm her sind.«
»Was für uns von Vorteil sein könnte«, bestätigte Dean.
»Aber nur bis morgen, wenn die Zeitungen darüber berichten.« Curtis wandte sich an Paris. »Was meint er, wenn er sagt, Sie
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