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Rain Wild Chronicles 01 - Drachenhüter

Rain Wild Chronicles 01 - Drachenhüter

Titel: Rain Wild Chronicles 01 - Drachenhüter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Hobb
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mit Vorsicht und Respekt behandeln musste.
    Als hätte er ihre Gedanken vernommen, drehte Paragon sich zu ihr um und zeigte mit einem Lächeln seine weißen Zähne. Alise lief es kalt über den Rücken. Sie wusste, dass sein ursprüngliches Gesicht, das eines Jungen, zerstört worden war. Manche behaupteten, Piraten hätten es in Stücke gehackt, andere meinten, seine eigene Mannschaft hätte es getan. Doch später hatte jemand aus den Splittern ein neues Gesicht geschnitzt, einen schönen, wenn auch von Narben verunstalteten jungen Mann. Diese Jugend stand in krassem Gegensatz zu ihrer Vorstellung von Paragon als einem uralten, weisen Drachen. Diese Diskrepanz verunsicherte sie, und deshalb klangen ihre Worte etwas hölzern, als sie fragte: »Worüber wolltet Ihr mit mir sprechen?«
    Er schien ungerührt. »Über Drachen. Und Lebensschiffe. Mir kam zu Ohren, dass Ihr flussaufwärts reist, und zwar nicht nur bis nach Trehaug, wo meine Fahrt endet, sondern weiter hinauf, wo die Wasser flacher werden, und nach Cassarick. Ist das richtig?«
    Schiffsklatsch?, wollte sie ihn erst fragen. Stattdessen sagte sie: »Ja. Das ist richtig. Ich bin eine Art Gelehrte, was Drachen und Elderlinge angeht, und der Zweck meiner Reise ist, die jungen Drachen mit eigenen Augen zu sehen. Ich möchte sie studieren und hoffe sie darüber ausfragen zu können, was die Erinnerungen ihrer Ahnen über die Elderlinge erzählen.« Sie lächelte, zufrieden mit sich selbst, während sie hinzusetzte: »Ehrlich gesagt bin ich etwas erstaunt, dass noch niemand vor mir auf diese Idee gekommen ist.«
    »Wahrscheinlich hatten schon Leute diese Idee, mussten aber feststellen, dass es reine Zeitverschwendung ist, mit diesen armseligen Tieren zu sprechen.«
    »Entschuldigt bitte?« Dass er die Jungdrachen zu Tieren herabsetzte, schockierte sie.
    »Das sind genauso wenig Drachen, wie ich einer bin«, gab Paragon ungerührt zurück. Als er sich dieses Mal zu ihr umwandte, waren seine Augen grau wie eine Sturmwolke. »Habt Ihr es nicht gehört? Sie sind Krüppel, jeder Einzelne von ihnen. Sie waren noch nicht richtig gereift, als sie aus den Hüllen schlüpften, und das ist mit der Zeit auch nicht besser geworden. Die Schlangen waren zu lange im Meer, viel, viel zu lange. Und als sie sich endlich auf ihre Wanderschaft machten, kamen sie unterernährt und zur falschen Jahreszeit an. Im Spätsommer hätten sie den Fluss hinaufschwimmen und sich dann einspinnen sollen, dann wären sie fett gewesen und hätten den ganzen Winter Zeit für die Verwandlung gehabt. So aber waren sie mager, erschöpft und unendlich alt. Sie kamen zu spät an und haben zu wenig Zeit in ihren Hüllen verbracht. Wie ich höre, sind mehr als die Hälfte von ihnen tot, und der Rest wird es auch nicht mehr lange machen. Wenn Ihr die studiert, werdet Ihr nichts über wahre Drachen erfahren.« Wieder wandte er den Blick von ihr ab und starrte stromaufwärts. Ein Kopfschütteln brachte seine schwarzen Locken zum Tanzen. Etwas leiser setzte er hinzu: »Wahre Drachen würden diese Geschöpfe verachten. Genauso, wie sie mich verachten würden.«
    Es war ihr nicht möglich, aus seinen Worten herauszulesen, was er empfand. Er hätte zutiefst traurig oder voller Trotz über das Urteil der Drachen sein können. Alise suchte nach Worten, um auf beide Gefühle zu antworten. »Das ist nicht gerecht. Ihr seid genauso wenig schuld an dem, was aus Euch geworden ist, wie es die jungen Drachen sind.«
    »Nein, das stimmt. Denn ich konnte nicht verhindern, was man mir angetan hat, noch kann ich ändern, was die Menschen aus mir gemacht haben. Aber ich bin mir darüber im Klaren, was ich bin, und habe mich entschieden, dies auch zu bleiben. Eine solche Entscheidung würde ein Drache nicht treffen. Und deshalb weiß ich sehr wohl, dass ich kein Drache bin.«
    »Was seid Ihr dann?«, fragte sie unwillkürlich. Ihr gefiel nicht, in welche Richtung sich dieses Gespräch entwickelte. Seine Worte hatten beinahe etwas Anklagendes. Ging von der Galionsfigur eine gewisse Spannung aus, oder bildete sie sich das nur ein?
    »Ich bin ein Lebensschiff«, antwortete er. Obwohl er ohne Groll sprach, war seine Stimme von tiefster Empfindung erfüllt, sodass selbst die Planken unter ihren Füßen zu beben schienen. Und eine Endgültigkeit durchdrang seine Worte, als spräche er von einem ewigen, unverrückbaren Schicksal. Plötzlich begriff sie, dass er es auch so meinte.
    »Wie sehr Ihr uns für das hassen müsst, was wir Euch

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