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Rain Wild Chronicles 01 - Drachenhüter

Rain Wild Chronicles 01 - Drachenhüter

Titel: Rain Wild Chronicles 01 - Drachenhüter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Hobb
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rechts schwingen, sodass die Luft von kreischendem Jubel erfüllt wurde. Mit einem Mal war die Spannung, die eben noch in der Luft gelegen hatte, dahin. Alise fragte sich, ob Paragon sich ihrer Anwesenheit überhaupt noch bewusst war.
    »Sollen wir sie allein lassen?«, schlug Althea vor.
    »Ist das denn nicht gefährlich für den Jungen?«, wandte Sedric entsetzt ein.
    »Der Junge wäre nirgendwo sicherer als hier«, gab Althea voller Überzeugung zurück. »Und auch für das Schiff ist es das Beste. Bitte.« Sie deutete auf die Leiter, die nach unten aufs Hauptdeck führte. Während sie darauf zugingen, fügte sie hinzu: »Bitte versteht mich nicht falsch, aber ich wäre Euch dankbar, wenn Ihr nicht mehr mit Paragon reden würdet.«
    »Er hat mich eingeladen, mit ihm zu sprechen!«, protestierte Alise mit geröteten Wangen.
    »Gewiss hat er das«, erwiderte Althea freundlich. »Dennoch wäre ich Euch dankbar, wenn Ihr alle weiteren Einladungen ausschlagen würdet.« Es hatte den Anschein, als hätte sie damit alles gesagt, doch als Alise sich umdrehte und ihre Röcke zusammenraffte, um hinabzusteigen, fügte Althea etwas leiser hinzu: »Er ist ein gutes Schiff. Er hat ein großes Herz. Aber im Voraus kann niemand wissen, welche Themen ihn aus der Fassung bringen. Nicht einmal er selbst.«
    »Glaubt Ihr wirklich, dass er seine Drachenerinnerungen vergessen hat?«, wagte Alise zu fragen.
    Für einen Augenblick presste Althea die Lippen fest zusammen. Dann sagte sie: »Ich pflege alles zu glauben, was mein Schiff mir erzählt. Wenn er mir sagt, dass er etwas vergessen hat, dann frage ich ihn nicht, ob er sich daran erinnern kann. Manche Erinnerungen rührt man besser nicht an. Manchmal vergisst man Dinge, weil es schlicht besser ist, sie zu vergessen.«
    Alise nickte. Eben wollte sie den Fuß auf die oberste Sprosse setzen, als sie von unten eine Männerstimme hörte.
    »Ist mit Paragon alles in Ordnung?«, fragte Kapitän Trell und blickte zu ihnen auf. Alise wurde rot. Fast wäre sie auf die Leiter getreten, und dann wäre ihr Rock direkt über Trells Kopf geschwebt.
    »Inzwischen ist alles wieder in Ordnung«, versicherte ihm Althea. Als ihr auffiel, in welcher Zwickmühle Alise steckte, schlug sie geschickt vor: »Brashen, würdest du Kauffrau Finbok helfen hinunterzusteigen?«
    »Gewiss«, entgegnete er, und nachdem Alise seine ausgestreckte Hand ergriffen hatte, vermochte sie die Leiter etwas damenhafter hinabzusteigen. Kurz darauf stand auch Sedric neben ihr auf dem Hauptdeck und bot ihr wieder seinen Arm. Erleichtert hängte sie sich ein, denn die Ereignisse der letzten Stunde hatten sie verwirrt, und zum ersten Mal hatte sie ernsthafte Zweifel am Sinn dieser Reise. Nicht nur, dass der Schiffsgeist ihr geraten hatte, in den Jungdrachen keine wahren Drachen zu sehen, und angedeutet hatte, dass sie kein Ahnengedächtnis besaßen. Das allein war entmutigend genug, doch dazu kam, dass sie plötzlich das Gefühl hatte, völlig unterschätzt zu haben, wie einschüchternd solche Kreaturen sein konnten. Während ihres Gesprächs mit Paragon hatte sich ihre Auffassung von den Drachen geändert. Es waren keine Kinder, wie sie bislang angenommen hatte. Genauso wenig, wie Tintaglia jung gewesen war, als sie geschlüpft war. Selbst wenn sie kleiner oder verkrüppelt waren – Drachen kamen üblicherweise als voll entwickelte Erwachsene aus ihren Hüllen.
    Der Kapitän war neben ihnen stehen geblieben, und nachdem seine Frau Althea ebenfalls herabgeklettert war, standen sie Seite an Seite, beinahe, als wollten sie Alise den Weg versperren. Höflich, aber bestimmt wandte sich der Kapitän an sie: »Vielleicht wäre es künftig besser, wenn einer von uns Euch begleitet, wenn ihr mit dem Schiff zu sprechen wünscht. Wer mit Lebensschiffen – und Paragon im Speziellen – nicht vertraut ist, kann manchmal leicht verunsichert werden. Und manchmal kann Paragon auch ein bisschen … reizbar sein.«
    »Die Dame wollte Euer Schiff nicht in Aufregung versetzen«, informierte Sedric Kapitän Trell ein wenig steif. Er fasste nach Alises Hand, und eigenartigerweise fand sie das tröstlich. »Der Schiffsgeist hat sie zu sich gerufen, um sich mit ihr zu unterhalten, und er hat das Thema Drachen aufs Tapet gebracht.«
    »Wirklich?« Der Kapitän und seine Frau tauschten Blicke aus. Dann nickte sie, und er trat ein kleines Stück zur Seite. Alise hatte den Eindruck, als hätten sie jetzt die Erlaubnis, sich zu entfernen. Mit etwas

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