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Rain Wild Chronicles 01 - Drachenhüter

Rain Wild Chronicles 01 - Drachenhüter

Titel: Rain Wild Chronicles 01 - Drachenhüter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Hobb
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ihrem Maul jedoch war verzweifelt, äußerst lebhaft und in seinem vertrauten Element. Es wehrte sich wie wild, sodass Sintaras Kopf und ihr langer Hals hin und her gerissen wurden. Das Gewicht des Tiers zerrte ihren Kopf unter Wasser. Instinktiv verschloss sie ihre Nüstern und Augenlider. Indem sie die Vorderbeine in den morastigen Grund stemmte, versuchte sie, ihre Beute aus dem Wasser zu ziehen. Kurz gelang es ihr. Panisch kreischend hing das Schwein von ihrem Kiefer herab und schlug mit den scharfen gespaltenen Hufen nach ihr. Auch versuchte es, sie mit den kleinen Hörnern an seinem Kopf zu rammen, doch gelang es ihm nicht. Sintara holte Luft.
    Sie vermochte kaum, das Schwein über Wasser zu halten.
    Denn natürlich hätte sie kräftiger sein sollen. Ihr Hals hätte dick und muskulös sein sollen wie der eines Jägers. Doch mit Abscheu musste sie feststellen, dass sie so schlaff war wie eine mit Korn gefütterte Kuh. Beute dieser Größe hätte ihr keinerlei Schwierigkeiten bereiten dürfen. Doch wenn sie den Kiefer öffnete, um besser zubeißen zu können, würde ihr das Schwein entwischen. Wenn sie es festhielt, machte es ihr mit seinem Zappeln das Leben schwer. Irgendwie musste sie es betäuben. Da zerrte es ihren Kopf wieder unter Wasser, und diesmal schloss sie nicht schnell genug ihre Nüstern. Sie prustete.
    Reflexartig nahm sie all ihre Kräfte zusammen, um das Schwein noch einmal aus dem Wasser zu heben. Als sie das Schwein nicht mehr halten konnte, schmetterte sie es teils zufällig, teils beabsichtigt gegen den Baumstamm. Kurz hing es leblos zwischen ihren Kiefern. Als das Schwein wieder anfing, zu quieken und zu strampeln, schlug sie es erneut gegen den Strunk. Sie drückte seinen schlaffen Leib gegen den Baum, und in dem kurzen Augenblick, den sie sich damit verschafft hatte, riss sie das Maul auf und ließ die Kiefer sogleich wieder zuschnappen. Ein letztes Mal zuckte das Flussschwein, und dann hing es endgültig tot in ihrem Maul.
    Sie hatte Beute erlegt! Sie hatte ihre erste Beute erlegt!
    Sie nagelte das Schwein mit dem Vorderbein auf dem Baumstrunk fest, um es zu zerreißen. Nie zuvor hatte sie etwas derart Herrliches gekostet. Das Blut war flüssig und warm, das Fleisch schmatzend frisch. Sintara schlang ein Maul nach dem anderen voll Innereien und Knochen hinunter. Wenn ihr ein Fleischstück in den Fluss fiel, steckte sie ihren Kopf unter Wasser, um es herauszufischen.
    Erst als das letzte Stück des Schweins in ihrem Magen gelandet war, vermochte sie wieder ihre Umgebung wahrzunehmen. Viele der Drachen hatten Beute gemacht. Veras hatte ihr Schwein bis ans Ufer getrieben und dort erlegt. Zwei der kleinsten Drachen zerrten so lange an den entgegengesetzten Enden eines quiekenden Flussscheins, bis es zerfetzt wurde. Kalo fraß gerade die Reste eines Schweins, während er ein zweites unter seiner Klaue gefangen hielt. Bei diesem Anblick hielt sie sogleich nach weiterer Beute Ausschau.
    »Die Herde hat sich verstreut«, sagte Mercor ruhig. Der Golddrache putzte sich gerade die Pranken, schleckte sie ab und zog eine Fleischfaser zwischen den Klauen hervor. Offenbar war auch seine Jagd erfolgreich gewesen. So wie ihre. Erneut durchbebte sie der Gedanke: Sie hatte Beute geschlagen! Sie, Sintara, hatte ihr eigenes Fleisch erlegt. Und gefressen. Wieso hatte sie zuvor nicht begriffen, wie wichtig dies war. Plötzlich war alles anders. Sie sah den Fluss und die anderen Drachen. Warum folgte sie den anderen stumpf wie eine hirnlose Kuh ihrer Herde? Drachen taten das nicht. Drachen hatten keine Hüter und waren nicht von Menschen abhängig, die für sie jagten. Drachen jagten und töteten selbst!
    Instinktiv kreiste sie mit den Schultern und hob ihre Schwingen. Der Drang, von hier wegzufliegen, weiterzujagen und noch mehr Beute zu erlegen und zu verschlingen und anschließend einen sonnenbeschienenen Hügel oder Felsvorsprung aufzusuchen und ein Nickerchen zu halten, wurde immer stärker in ihr. Nicht das Fleisch hatte diesen Wunsch ihn ihr geweckt, auch wenn es köstlich gewesen war. Sondern die Anstrengung der Jagd und vor allem das Triumphgefühl, als sie das Flussschwein getötet und verspeist hatte. Sie konnte kaum erwarten, es wieder zu tun.
    Doch ihre ausgebreiteten Schwingen waren erbärmlich und schlugen schlaff gegen ihren Rücken. Sie hatte keine Kraft in den Flügeln. Wütend dachte sie daran, wie schwierig es gewesen war, selbst ein derart dummes Tier wie ein Flussschwein zu töten. Es zu

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