Rain Wild Chronicles 02 - Drachenkämpfer
holen.
»Ausgezeichnete Idee! Allerdings weiß ich nicht wie.«
Geh jagen. Er spürte den gedanklichen Stoß, den sie ihm versetzte. Er war nicht sonderlich angenehm.
Kurz überlegte Sedric, ob er mit ihr diskutieren sollte, entschied dann aber, dass es keinen Sinn hatte. Sie hatte recht. Sie waren beide hungrig, und die einzige Lösung dafür bestand darin, dass einer von ihnen etwas zu essen besorgte. Und Relpda würde es ganz bestimmt nicht machen. Da fiel ihm ein, dass er Jess mit Früchten aus Richtung der Bäume hatte kommen sehen. Wenn der Jäger dort Früchte gefunden hatte, standen die Chancen gut, dass noch mehr dort waren. Irgendwo dort oben.
Fleisch, Fisch, beharrte Relpda und warf sich voll Unbehagen auf dem Stamm herum, der sie trug. Da löste sich ein Ende des Holzstücks plötzlich vom Rest des Treibguts und sackte tiefer ins Wasser. Rutschen!, rief sie angsterfüllt, und der Gedanke rammte sich in Sedrics Hirn. Panisch wedelte sie mit der Vorderpranke und bekam einen anderen Stamm zu fassen. Sie hielt ihn fest, zog ihn zu sich heran und schaffte es sogar, sich teilweise hinaufzuhieven.
»Braves Mädchen! Kluger Drache!«, lobte er sie.
Und im Gegenzug bekam er die Wärme, die seine Schmerzen linderte. Aber sie war mit einer Botschaft verbunden. Und müde. So müde. Auch kalt.
»Ich weiß, Relpda. Ich weiß.« Das waren mehr als nur leere tröstende Worte, denn er wusste genau, wie müde sie war und wie sehr die Erschöpfung an ihr zehrte. Ihre Vorderbeine, mit denen sie sich festhielt, taten weh. All ihre Klauen fühlten sich seltsam an, waren weich und wund. Vom Rudern hatte sie kaum mehr Kraft in den Hinterbeinen und dem Schwanz. Unvermittelt breitete sie die Schwingen aus und schlug damit, um auf den Stämmen wieder etwas nach oben zu rutschen. Anscheinend waren die Flügel kräftiger, als Sedric gedacht hatte. Denn er spürte den Wind, den sie aufpeitschten, und Relpdas Brust hob sich fast aus dem Wasser. Doch trotz allem fruchtete es nichts. Sie lockerte damit lediglich das an dieser Stelle aufgestaute und verkeilte Treibgut. Eben kam ein Knäuel Schilfgras frei und wurde vom Strom mitgerissen. Das war nicht gut.
»Relpda. Relpda, hör mir zu. Wir müssen noch mehr Stämme unter dich bekommen und dir einen Platz suchen, wo du dich ausruhen kannst. Sobald du in Sicherheit bist, kann ich dir etwas zum Essen jagen.«
Ruhen. In diesem einen Wort steckte mehr Sehnsucht, als die Welt zu fassen vermochte.
Sie schlief lange, aber als sie auf das Deck trat, stellte sie fest, dass einige der Hüter noch immer nicht wach waren. Alise fragte sich, ob es an ihrer Müdigkeit oder ihrer Trauer lag. Thymara und Jerd gehörten zu denen, die bereits aufgestanden waren. Die beiden Mädchen saßen mit baumelnden Füßen auf Teermanns Bugreling und unterhielten sich. Alise war einigermaßen überrascht, die beiden Mädchen zusammen zu sehen. Sie hätte nicht gedacht, dass sie miteinander befreundet waren, und nach dem, was Thymara ihr über Jerd erzählt hatte, hatte sie stark bezweifelt, dass dies jemals der Fall sein würde. Sie fragte sich, worüber sie sprachen und ob sie sie in ihrem Gespräch willkommen heißen würden. In Bingtown hatte Alise zwar Freundinnen gehabt, hatte diese aber nie in der Weise geschätzt, wie es andere Frauen taten. Sie war von Natur aus zurückhaltend, was andere womöglich für Kälte hielten. Nie war sie in der Lage gewesen, ihren Freundinnen die intimsten Einzelheiten ihrer Ehe anzuvertrauen, auch wenn manche darauf bestanden hatten, ihr solche Dinge zu erzählen.
Inzwischen aber glaubte sie, dass sie für die Meinung einer anderen Frau dankbar wäre. Seit sie tags zuvor das Medaillon entdeckt hatte, waren ihre Gedanken und Gefühle in Aufruhr. Wieso hatte Hest ein solches Geschenk anfertigen lassen, warum hatte er es Sedric anvertraut und warum hatte Sedric es ihr nicht weitergegeben? Diese Fragen konnte sie nicht mit Leftrin erörtern, denn sicherlich war das Ganze irgendwie ihre Schuld. Allein Sedric konnte Antwort geben, und der war nicht da. Noch ein trauriger Gedanke, den sie rasch beiseiteschob. Noch nicht. Sie würde noch nicht um ihn trauern. Noch gab es Hoffnung.
Auf der Suche nach Bellin ging sie übers Schiff. Schließlich fand sie die Matrosin im Deckshaus. Sie saß mit ernstem Gesicht auf Skellys Pritsche und hielt deren Hände. Dem Mädchen waren offenbar Tränen über die Wangen gelaufen. Bellins Blick bedeutete ihr sich zu entfernen, bevor Skelly etwas
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