Rain Wild Chronicles 02 - Drachenkämpfer
aufgesucht, eine Entschuldigung gemurmelt, weil er sie »wie eine Handelsware« behandelt hatte, und war wieder davongegangen. Sie fragte sich, ob es Tats’ Worte waren oder seine eigenen und ob Tats gehofft hatte, etwas bei ihr zu erreichen, indem er Nortel zu der Entschuldigung gezwungen hatte.
Noch so ein elendes Thema. Sie wollte weder an Rapskals Tod denken noch an Grefts dumme Pläne für ihr künftiges Leben.
»So wirst du damit nie fertig.«
Tats’ Stimme riss sie aus dem Grübeln heraus. Sie betrachtete ihren unbeholfenen Versuch, aus einem Stück Holz ein Ruder zu schnitzen. Von Holzverarbeitung hatte sie so gut wie keine Ahnung, aber selbst sie erkannte, dass sie eine klägliche Arbeit ablieferte.
»Das ist sowieso nur eine Aufgabe, um uns zu beschäftigen«, beschwerte sie sich. »Auch wenn ich es schaffe, daraus etwas zu machen, womit man rudern kann, wird der Fluss es innerhalb von Tagen auffressen. Selbst unsere alten Paddel wurden allmählich aufgeweicht und sind an den Rändern ausgefranst, und sie sind gegen das saure Wasser behandelt worden.«
»Trotzdem«, sagte Tats. »Wenn die Ruder, die wir jetzt haben, den Geist aufgeben, können wir sie mit denen ersetzen, die wir jetzt schnitzen. Deshalb sollten wir lieber einen Vorrat davon haben.« Sein Versuch sah nicht viel besser aus als ihrer, nur dass er schon weiter gediehen war. »Jedes Paddel ist besser als kein Paddel«, tröstete er sich, während er sein Werk betrachtete. »Kannst du das festhalten, damit ich versuchen kann, es mit dem Zugmesser zu bearbeiten?«
»Klar.« Sie war froh, ihr eigenes Werkzeug weglegen zu können, denn ihre Hände waren müde und wund. Sie hielt das halbfertige Ruder fest, während Tats sich mit dem Zugmesser ans Werk machte. Obwohl er das Werkzeug ungeschickt anfasste, gelang es ihm, einen Holzkringel vom Rudergriff abzuschaben, bevor er an einem Astknoten hängen blieb.
»Es tut mir leid wegen neulich«, sagte er leise.
Seit jenem Vorfall hatten sie nicht mehr miteinander gesprochen. Er hatte nicht mehr versucht, ihr den Arm um die Schulter zu legen oder sie zu küssen. Wahrscheinlich wusste er, wie sie das aufnehmen würde. Zwar war sein Gesicht nicht so schlimm zugerichtet wie das von Nortel, aber auch in seinem prangte ein verblassendes blaues Auge. »Ich weiß«, sagte sie knapp.
»Ich habe Nortel gesagt, dass er sich bei dir entschuldigen soll.«
»Auch das weiß ich. Daraus schließe ich, dass du gewonnen hast.«
»Na klar!« Er wirkte gekränkt, dass sie das überhaupt infrage gestellt hatte.
Er war ihr geradewegs in die Falle getappt. »Was du gewonnen hast, Tats, ist ein Kampf mit Nortel. Mich hast du nicht gewonnen.«
»Das weiß ich doch.« Sein Bedauern verwandelte sich offenbar allmählich in Wut.
»Gut«, sagte sie kurz und abgehackt. Dann griff sie wieder zum Stechbeitel und überlegte sich, wie sie dessen Klinge ansetzen musste. Tats räusperte sich.
»Ähm. Ich weiß, dass du wütend auf mich bist. Aber würdest du das Ruder vielleicht trotzdem für mich halten, während ich es bearbeite?«
Doch eigentlich ging es ihm um eine andere Frage. Wieder nahm sie das Ende des Paddels in die Hand und hielt es fest. »Wir sind immer noch Freunde«, sagte sie. »Auch wenn ich wütend auf dich bin. Aber ich gehöre dir nicht.«
»Gut so.« Vorsichtig setzte er das Zugmesser an und zog es am Schaft des Ruders entlang. Sie betrachtete seine braunen Hände, die das Werkzeug hielten, und die vor Anstrengung gewölbten Muskeln seiner Unterarme. Diesmal löste sich ein längerer, gerollter Span. »Drehen wir es mal so rum«, sagte er und drehte das Holzstück auf die andere Seite. Als er das Messer erneut anlegte, fragte er: »Was müsste ich tun, um dich zu gewinnen, Thymara?«
Über diese Frage hatte sie nie nachgedacht. Während sie noch überlegte, sagte er: »Denn ich wäre bereit dazu. Das weißt du.«
Sie war verblüfft. »Wie kannst du etwas tun wollen, wenn du noch gar nicht weißt, was ich verlangen werde?«
»Weil ich dich kenne. Vielleicht sogar besser, als du glaubst. Sieh mal, ich habe ein paar Dummheiten gemacht, seit wir von Trehaug aufgebrochen sind. Das gebe ich ja zu. Aber …«
»Tats, halt. Ich will nicht, dass du glaubst, ich würde dir eine Liste mit Aufgaben geben. Das werde ich nicht tun. Weil ich gar nicht wüsste, welche Dinge das sein sollten. Wir haben in letzter Zeit viel durchgemacht, und du verlangst, dass ich eine wichtige Entscheidung treffe. Und wenn ich
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