Rain Wild Chronicles 02 - Drachenkämpfer
sie eben ein bisschen rannehmen. Sagt ihr, dass Ihr sie nach Chalced verschleppt und ihr dort das Leben einer Prinzessin ermöglicht. Dann wird sie mitkommen. Und der Stutzer, der bei ihr ist, will sowieso nur in die Zivilisation zurück. Dem wird es vermutlich egal sein, wohin Ihr ihn bringt, solange es nicht die Regenwildnis ist. Oder lasst ihn an dem Geschäft teilhaben, wenn Ihr mögt.« Dann hatte er noch breiter gegrinst und hinzugefügt: »Oder schafft ihn aus dem Weg, mir ist das egal.«
»Ich würde Teermann niemals aufgeben, und mein Kahn ist nicht für eine Reise nach Chalced ausgelegt.«
»Nicht?« Der Verräter hatte den Kopf schief gehalten und gesagt: »Mir scheint, Euer Kahn ist für viele Dinge besser ausgelegt, als es zunächst den Eindruck hat. Solltet Ihr mit Eurem Anteil für die Drachentrophäen nicht zufrieden sein, wette ich, dass Ihr für Euren Kahn mit seinen ›besonderen Umbauten‹ noch einmal dasselbe bekommen würdet. Am Stück oder auseinandergenommen.«
Da war es heraus. Der Jäger begegnete Leftrins wütendem Blick, ohne sein gemeines Grinsen zu lassen. Er wusste es. Er wusste, was Teermann war und was Leftrin gefunden hatte und was er damit getan hatte. Das Grinsen besagte, dass Leftrin kein bisschen besser als er selbst war. Sie unterschieden sich nicht. Leftrin hatte bereits die Überreste eines Drachen zu seinem eigenen Vorteil ausgeschlachtet.
Und falls Leftrin Jess bloßstellen würde, konnte dieser es ihm mit gleicher Münze heimzahlen. Er spürte, dass Teermann nach ihm verlangte. Schnell trat er an die Reling und legte die Hand auf das silberne Holz. »Es wird alles gut«, versicherte er dem Schiff. »Vertraue mir. Ich werde mir schon etwas einfallen lassen. Das gelingt mir doch immer.«
Dann nahm er die Hand von der Reling und ging nach achtern, um mit Swarge zu reden, falls Alise an Deck kommen sollte.
Schweigsam wie immer stützte sich Swarge auf das Ruder und hatte den Blick starr auf den Fluss gerichtet. Plötzlich fiel Leftrin auf, dass der Steuermann nicht mehr der Jüngste war. Nun ja, er selbst war auch kein Knabe mehr. Er rechnete die Jahre auf, die sie gemeinsam unterwegs gewesen waren, und dachte an all das, was sie durchgemacht hatten, an gute und schlechte Tage. Swarge hatte Leftrins Entscheidung nicht infrage gestellt, als dieser ihm den Hexenholzfund und seine Pläne damit eröffnet hatte. Swarge hätte widersprechen können, hatte es aber nicht getan. Er hätte ihn aufhalten können, er hätte für sein Schweigen einen Teil des Holzes für sich verlangen, damit abhauen, es verkaufen und ein reicher Mann werden können. Aber das hatte er nicht getan. Nur eine Forderung hatte er gestellt, eine schlichte Bitte, die er schon viel früher hätte aussprechen sollen. »Es geht um eine Frau«, hatte er zögerlich gesagt. »Eine tüchtige Flussschifferin, die ordentlich arbeiten kann. Wenn ich jetzt nicht von Bord gehe, bleibe ich ewig auf Teermann . Mit ihr lässt es sich gut zusammenleben. Sie könnte ebenfalls für immer Teil dieser Mannschaft sein. Du würdest sie mögen, Käpt’n. Davon bin ich überzeugt.«
Bellin war Teil des Handels mit Swarge gewesen, und seither hatte dies niemand bereut. Sie war an Bord gekommen, hatte ihr Bündel an ihren Haken gehängt und einen Vorhang genäht, damit die beiden nachts etwas für sich waren. Teermann hatte sie von Anfang an gemocht. Teermann war ihre Heimat und sein Leben. Schon vor langer Zeit hatten sie und Swarge ihre Verbindungen zum Festland verloren, und Swarge war damit zufrieden. Mit breiten Händen hielt er das Steuerruder und tat, was er den ganzen Tag machte. Da Swarge stets das Holz berührte, ging Leftrin davon aus, dass er Teermann genauso gut kannte wie er selbst. Er kannte das Schiff und liebte es.
»Wie läuft er heute?«, fragte der Kapitän, als wüsste er es nicht schon längst.
Überrascht von dieser sinnlosen Frage sah Swarge ihn an. »Er läuft gut, Kapitän«, sagte er. Wie immer war seine Stimme so tief, dass es geübte Ohren brauchte, um die Worte zu verstehen. »Er macht sehr entschlossen Fahrt. Der Grund ist gut hier. Nicht nur abgesetzter Schlick wie gestern. Wir kommen voran, gar kein Zweifel. Und sogar ziemlich zügig.«
»Gut zu hören, Swarge«, sagte Leftrin und überließ ihn wieder seinen Tagträumereien.
In jenem Jahr hatte Teermann eine harsche Veränderung durchgemacht. Leftrin hatte den Großteil seiner Mannschaft entlassen, da er seinen Fund und die Pläne, die er mit
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